Bei Unfällen zwischen zwei Kfz schließt die Norm des § 17 Abs. 3 StVG die Halterhaftung aus, wenn der Unfall durch ein unabwendbares Ereignis verursacht worden ist.
Hinweis:
Für den Fahrer gilt § 17 Abs. 3 StVG nicht; im Falle der Unabwendbarkeit wird ihm allerdings i.d.R. die Widerlegung der Verschuldensvermutung in § 18 StVG gelingen, so dass er ebenfalls nicht haftet.
Durch die Verweisung in § 17 Abs. 4 StVG ist Absatz 3 entsprechend anzuwenden auf Unfälle zwischen einem Kfz und einem Anhänger, zwischen einem Kfz und einem Tier und zwischen einem Kfz und einer Eisenbahn. Sie greift dagegen nicht ein bei Unfällen eines Kfz mit einem Fußgänger oder einem Radfahrer. Durch § 17 Abs. 3 S. 3 StVG wird klargestellt, dass auch der Eigentümer eines Kfz, der nicht zugleich Halter ist (z.B. beim Fahrzeugleasing), in den Anwendungsbereich der Norm einbezogen ist, so dass sich z.B. der "Idealfahrer" auch gegenüber dem Eigentümer des anderen Unfallfahrzeugs auf den Haftungsausschluss der Unabwendbarkeit berufen kann; dagegen sind die Regelungen der Absätze 1 und 2 auf den Kfz-Eigentümer, der nicht zugleich Halter ist, nicht anwendbar (BGHZ 173, 182 = NJW 2007, 3120). Haben sich beide Autofahrer "ideal" verhalten, entfällt der Ausgleich gänzlich und jeder trägt seinen eigenen Schaden allein.
§ 17 Abs. 3 StVG lautet:
Zitat
Die Verpflichtung zum Ersatz nach den Absätzen 1 und 2 ist ausgeschlossen, wenn der Unfall durch ein unabwendbares Ereignis verursacht wird, das weder auf einem Fehler in der Beschaffenheit des Fahrzeugs noch auf einem Versagen seiner Verrichtungen beruht. Als unabwendbar gilt ein Ereignis nur dann, wenn sowohl der Halter als auch der Führer des Fahrzeugs jede nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt beobachtet hat. Der Ausschluss gilt auch für die Ersatzpflicht gegenüber dem Eigentümer eines Kraftfahrzeugs, der nicht Halter ist.
Da die Anforderungen der Rechtsprechung an das Vorliegen eines unabwendbaren Ereignisses recht hoch sind, kommt diesem Haftungsregulativ in der Praxis nur geringe Bedeutung zu. Dies mag auch daran liegen, dass bei grobem Verschulden eines Unfallbeteiligten auch noch im Rahmen der Haftungsabwägung nach § 17 StVG dessen alleinige Haftung festgestellt werden kann, weshalb in solchen Fällen die Frage nach der Unabwendbarkeit für den Unfallgegner möglicherweise – anstatt sie offen zu lassen – etwas vorschnell verneint wird. Bei der Prüfung der Unabwendbarkeit bleiben solche Umstände unberücksichtigt, die für den Schaden nicht ursächlich geworden sind (BGH NJW 1982, 1149).
aa) Unabwendbarkeit
Der Begriff des unabwendbaren Ereignisses ist zwar in § 17 Abs. 3 S. 2 StVG definiert, aber gleichwohl ausfüllungsbedürftig. Nach der Formel der Rechtsprechung ist ein Ereignis dann unabwendbar, wenn es auch durch die äußerste mögliche Sorgfalt nicht abgewendet werden kann (vgl. nur BGHZ 117, 337 = NJW 1992, 1684; NZV 2005, 305; OLG Hamm NJW-RR 2015, 1370; Hentschel/König, a.a.O., § 17 StVG Rn 22 m.w.N.). Dazu gehört sachgemäßes, geistesgegenwärtiges Handeln über den gewöhnlichen und persönlichen Maßstab hinaus, wobei alle möglichen Gefahrenmomente zu berücksichtigen sind (BGHZ 113, 164 = NJW 1991, 1171). Richtschnur ist zwar nicht das Verhalten eines gedachten "Superfahrers", sondern – nach der Rechtsprechung allerdings dem nahekommend – das an durchschnittlichen Anforderungen zu messende Verhalten eines "Idealfahrers" (BGHZ 117, 337 = NJW 1992, 1684; BGH NJW 2006, 896). Es wird daher mehr verlangt als die im Verkehr übliche Sorgfalt i.S.d. § 276 BGB. Der "Idealfahrer" ist argwöhnischer als der Durchschnittsfahrer und achtet sorgfältiger auf Anzeichen für unrichtiges oder ungeschicktes Verhalten anderer Verkehrsteilnehmer (BGH VersR 1985, 864; OLG Hamm zfs 1996, 444). Gleichwohl bedeutet Unabwendbarkeit nicht absolute Unvermeidbarkeit (BGHZ 117, 337 = NJW 1992, 1684). Bei unvorhersehbaren Gefahren ist auch dem "Idealfahrer" eine sog. Schreckzeit zuzubilligen (BGH VersR 1964, 753), wenn er nicht bereits vor Eintritt der Gefahrenlage deren Auftreten hätte vermeiden können (BGHZ 117, 337 = NJW 1992, 1684; BGH NJW 2006, 896, 898).
bb) Fehler in der Beschaffenheit des Fahrzeugs
Beruht der Unfall auf einem Fehler in der Beschaffenheit des Fahrzeugs oder auf einem Versagen seiner Verrichtungen, greift die Halterhaftung ein, und zwar unabhängig davon, ob der Halter und/oder der Fahrer dies voraussehen konnten. Abzustellen ist dabei auf die allgemeinen Anforderungen an ein Kfz und seine Betriebssicherheit nach dem zum Unfallzeitpunkt geltenden Stand der Technik (Hentschel/König, a.a.O., § 17 StVG Rn 30).
Fehler in der Fahrzeugbeschaffenheit sind solche, die auf der Konstruktion oder auf der Bauausführung, aber auch auf mangelhafter Unterhaltung des Fahrzeugs und seiner Teile beruhen. Hierunter fallen z.B. eine defekte Reserveradhalterung oder das Versagen eines Regelungssystems zur automatischen Geschwindigkeits- oder Abstandsregulierung, aber auch Fehler in der Innenausstattung, wenn dies die Verkehrssicherheit beeinflusst.
Unter Versagen der Verrichtungen fallen solche ...