I. Haftungsgrundlagen
1. Gefährdungshaftung
Im Rahmen der zivilrechtlichen Regulierung eines Straßenverkehrsunfalls kommen mehrere Haftungsgrundlagen in Betracht, die in verschiedenen Gesetzen verstreut sind und sich danach richten, welcher Verkehrsteilnehmer an dem Unfall beteiligt ist. Dabei ist zwischen Tatbeständen der Gefährdungshaftung und der Verschuldenshaftung zu unterscheiden. Nach gängiger Definition bedeutet Gefährdungshaftung die Haftung für die Folgen eigener Wagnisse kraft sozialer Verantwortung, weil durch den Betrieb eines Kfz erlaubterweise eine Gefahrenquelle eröffnet wird. Sie bezweckt nicht den Ausgleich für Verhaltensunrecht, sondern für Schäden aus den Gefahren, die durch den zulässigen Kfz-Betrieb entstehen (vgl. BGHZ 117, 337, 340 = NJW 1992, 1684; BGH NJW 2014, 1182).
Hinweis:
Anders ist dies dagegen bei der Haftung wegen unerlaubter Handlung nach bürgerlichem Recht gem. §§ 823 ff. BGB, bei der Voraussetzung für eine Haftung stets Verschulden ist, auch wenn dieses teilweise – wie in § 831 BGB – vermutet wird.
Die Gefährdungshaftung unterliegt allerdings – so auch im StVG – regelmäßig gewissen Haftungsbeschränkungen:
- Die Haftungshöchstbeträge nach §§ 12, 12a StVG, die allerdings in der Praxis – außer bei Massenschäden – kaum relevant werden (s. hierzu unten II. 7.).
- Für den Umfang der Ersatzpflicht bei Personenschäden werden die §§ 842–845 BGB durch die Sonderregelungen der §§ 10–13 StVG verdrängt.
- Die Tatbestände des StVG beinhalten auch einen Anspruch auf Schmerzensgeld nach § 253 Abs. 2 BGB. § 11 S. 2 StVG hat insoweit nur klarstellende Bedeutung.
2. Unerlaubte Handlung
Nach § 16 StVG sind die Vorschriften über die unerlaubte Handlung gem. §§ 823 ff. BGB neben dem StVG anwendbar; sie sind stets zu prüfen, sofern die Gefährdungshaftung nach § 7 StVG nicht eingreift (z.B. in den Fällen des § 8 StVG) oder ein über die Haftungshöchstbeträge nach §§ 12, 12a StVG hinausgehender Schaden geltend gemacht wird.
3. Anspruchsgrundlagen
Im Einzelnen kommen folgende Anspruchsgrundlagen in Betracht gegenüber dem:
II. Haftung des Halters (§ 7 StVG)
Die Vorschrift des § 7 StVG ist die wichtigste Anspruchsgrundlage im Recht der Straßenverkehrshaftung. Als Gefährdungshaftung bezweckt sie nicht den Ausgleich für Verhaltensunrecht, sondern für Schäden aus den durch den (zulässigen) Betrieb eines Kfz entstehenden Gefahren. Die verschuldensabhängige Haftung nach §§ 823 ff. BGB bleibt unberührt (§ 16 StVG).
§ 7 Abs. 1 StVG lautet:
Zitat
Wird bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs oder eines Anhängers, der dazu bestimmt ist, von einem Kfz mitgeführt zu werden, ein Mensch getötet, der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist der Halter verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen.
Eine Haftung des Halters nach § 7 StVG setzt also lediglich voraus, dass es bei dem Betrieb seines Kfz oder seines Kfz-Anhängers zu einem Personen- oder Sachschaden gekommen ist.
Hinweis:
Die Problematik des manipulierten oder gestellten Unfalls, bei dem es dogmatisch an der Rechtswidrigkeit der Schadensverursachung fehlt, wird im Folgenden nicht behandelt (vgl. hierzu z.B. K. Schneider, in: Berz/Burmann, Handbuch des Straßenverkehrsrechts, Stand: Dezember 2017, 5 D).
1. Haftungsvoraussetzungen
a) Kfz
aa) Begriff
Der Begriff des Kraftfahrzeugs ist in § 1 Abs. 2 StVG definiert. Darunter sind Landfahrzeuge zu verstehen, die durch Maschinenkraft bewegt werden, ohne an Bahngleise gebunden zu sein (vgl. die hiermit übereinstimmenden Definitionen in § 2 Nr. 1 FZV, § 4 PBefG und § 248b StGB). Auf die Antriebsart (Verbrennungsmotor, Turbine, Batterie, Elektromotor etc.) kommt es nicht an.
Beispiele:
- Kfz sind somit neben Pkw und Lkw auch Krafträder aller Art, Fahrzeuge mit Hilfsmotor, motorbetriebene Go-Carts (OLG Hamm NJW-RR 2002, 1389; OLG Koblenz NJW-RR 2004, 822), Mofas, Elektrofahrräder (Huppertz NZV 2012, 23), Segways (Kettler NZV 2008, 71), Hoverboards (Huppertz NZV 2016, 513), Partybikes, Motorschlitten, Oberleitungsbusse, Raupenfahrzeuge oder selbstfahrende Arbeitsmaschinen wie z.B. Bagger, Gabelstapler, Motorpflüge und Straßenwalzen. Kraftfahrzeuge der Feuerwehr und Polizei unterfallen ebenfalls der Gefährdungshaftung (OLG Karlsruhe VRS 10, 81).
- Nicht dagegen Fahrräder, Rikschas (Huppertz NZV 2006, 299), (Kinder-)Roller, Skateboards, Rollschuhe oder Inline-Skates (BGHZ 150, 201 = NJW 2002, 1955).
bb) Ausnahmen
Die Gefährdungshaftung des § 7 Abs. 1 StVG greift nicht ein, wenn die Voraussetzungen des § 8 StVG gegeben sind. Sie gilt also nicht für technisch besonders langsame Kfz und im Falle einer Tätigkeit des Geschädigten bei dem Betrieb des Kfz. Als Ausnahmevorschrift ist § 8 StVG eng auszulegen (BGH NJW 2011, 292). Die Haftung nach §§ 823 ff. BGB bleibt in beiden Fällen allerdings unberührt (§ 16 StVG).
Langsam bewegliche Kfz (§ ...