Das am 1.7.2017 in Kraft getretene Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung hat das Recht der Vermögensabschöpfung (früher: "Verfall und Einziehung") grundlegend neu geregelt. Es hat das Rechtsinstitut des Verfalls abgeschafft und durch ein neues Rechtsinstitut der Einziehung von Taterträgen ersetzt. In diesem Rahmen sind die Regelungen über die Rückgewinnungshilfe aufgehoben und gegen neue dem Verletztenschutz dienende Vorschriften ausgewechselt worden. Gebührenrechtlich hat dies zur Folge, dass die Verfahrensgebühr bei Einziehung und verwandten Maßnahmen gem. Nr. 4142 VV RVG für die Tätigkeiten des Verteidigers seither unabhängig davon entsteht, ob die Vermögensabschöpfung (auch) der Entschädigung von Tatverletzten dient oder ob dies nicht der Fall ist (vgl. zu dieser Gebühr eingehend zuletzt u.a. Burhoff RVGreport 2019, 82 ff.). In dem Zusammenhang ist dann aber fraglich (gewesen), ob die Verfahrensgebühr gem. Nr. 4142 VV RVG auch dann entsteht, wenn der vor dem 1.7.2017 mit der Verteidigung beauftragte oder zum Pflichtverteidiger bestellte Rechtsanwalt zunächst nur Tätigkeiten zu entfalten hatte, die sich gegen vermögenssichernde Maßnahmen im Rahmen einer Rückgewinnungshilfe nach altem Recht (§§ 73 Abs. 1 S. 2, 73a, 73b StGB a.F.) richteten. Das LG Berlin hatte im vergangenen Jahr in mehreren Entscheidungen zu der Frage des Anfalls der Nr. 4142 VV RVG in diesen Fällen Stellung genommen und das Entstehen der Gebühr bejaht (vgl. LG Berlin RVGreport 2018, 178 = RVGprofessionell 2018, 80 = StRR 2/2018, 24; s. auch noch LG Berlin, Beschl. v. 26.1.2018 – 537 Qs 26/18 und LG Berlin, Beschl. v. 13.4.2018 – 511 KLs 255 Js 739/14 [11/17]). Dagegen war – wie nicht anders zu erwarten – von der Staatskasse Rechtsmittel eingelegt worden. Das KG hat nun diese für die Verteidigung gebührenrechtlich wichtige Frage im für Verteidiger günstigen Sinn entschieden (KG, Beschl. v. 6.3.2019 – 1 Ws 31/18).
Das KG (a.a.O.) führt aus: Ob sich die Änderung der Gesetzeslage in diesen Fällen (auch) auf die Vergütung des Rechtsanwalts auswirkt, bestimme sich grundsätzlich nach § 60 RVG. Absatz 1 Satz 1 der Vorschrift sei allerdings nicht unmittelbar anzuwenden, weil mit der darin genannten "Gesetzesänderung" eine Änderung des RVG selbst gemeint sei (vgl. Mayer/Kroiß/Klees, RVG, 6. Aufl., § 60 Rn 20), worum es hier jedoch nicht gehe. Allerdings ordnet § 60 Abs. 1 S. 3 an, dass Satz 1 auch gilt, "wenn Vorschriften geändert werden, auf die dieses Gesetz verweist". Sofern diese Norm zur Anwendung käme, müsste die Vergütung nach bisherigem Recht berechnet werden, wenn der unbedingte Auftrag zur Erledigung derselben Angelegenheit i.S.d. § 15 RVG vor dem Inkrafttreten der Gesetzesänderung erteilt oder der Rechtsanwalt vor diesem Zeitpunkt bestellt oder beigeordnet worden ist. Die (mit der Vorgängervorschrift § 134 BRAGO) wortgleiche Formulierung "Die Vergütung ist nach bisherigem Recht zu berechnen" wird nach allgemeiner Auffassung dahingehend verstanden, dass sie bestimmt, ob das bis zum Inkrafttreten der Gesetzesänderung geltende alte oder das neue Recht anwendbar ist (vgl. etwa Hartmann, Kostengesetze, 48. Aufl., 2018, § 60 RVG Rn 1; AnwK-RVG/N. Schneider, RVG, 8. Aufl., § 60 RVG Rn 2, 3).
Der Beschwerde sei zwar – so das KG – zuzugeben, dass danach § 60 Abs. 1 S. 3 RVG tatsächlich einschlägig erscheine. Ein solches Ergebnis wäre aber nach Auffassung des KG nicht sachgerecht, weil hierbei ein wesentlicher Aspekt der Neuregelung des Rechts der Vermögensabschöpfung außer Betracht bliebe, der sich bei der gebotenen Gesamtschau zwingend auch auf das Vergütungsrecht auswirken müsse: Der Gesetzgeber habe mit der Regelung des Art. 316h EGStGB ausdrücklich angeordnet, dass das neue Vermögensabschöpfungsrecht auf vor dem 1.7.2017 begangene Anlasstaten anwendbar ist (sofern nicht bis zu diesem Tag eine Entscheidung über die Anordnung des Verfalls oder des Verfalls von Wertersatz ergangen ist, was bei der hier vorliegenden Konstellation nicht der Fall ist). Diese Rückwirkung bedeute, dass ein vor dem Stichtag bestellter Verteidiger bereits zu diesem Zeitpunkt in der Sache nicht mehr gegen eine bloße Rückgewinnungshilfe, sondern gegen eine Einziehung nach neuem Recht verteidigt habe, weshalb eine Gleichstellung mit den nach dem Stichtag bestellten Verteidigern geboten sei. Dass im Zeitpunkt der Bestellung des Rechtsanwalts R. formal noch das alte Vermögensabschöpfungsrecht gegolten habe, müsse daher entgegen der Auffassung der Staatskasse unbeachtlich sein.
Autor: Rechtsanwalt Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg
ZAP . 22 R, S. 701–714