Insbesondere im Bereich der Pauschalreise liegen derzeit in Deutschland und europaweit besondere Umstände vor, die von der bisherigen Gesetzeslage nicht erfasst werden. Das liegt u.a. daran, dass – obwohl die gerade erst durchlebte Insolvenz von Thomas Cook nicht einmal im Ansatz abgewickelt worden ist – eine weitere Krise ihre Bahnen zieht. Kunden können aufgrund der Corona-Pandemie nicht reisen, Veranstalter ihre Leistung nicht erbringen und Reisevermittler werden aufgefordert, bereits erhaltene Provisionen zurück zu gewähren.

Derzeit arbeiten die Reiseveranstalter und die Bundesregierung fieberhaft daran, eine Lösung für all die Fälle zu finden, bei denen die Kunden wegen der Coronakrise nicht mehr reisen können, die Reiseveranstalter aber schon den vollen Reisepreis empfangen haben und diesen nun nicht vollständig zurückzahlen wollen oder können. Infolge eines Rücktritts des Kunden verliert der Reisveranstalter den Anspruch auf den Reisepreis und muss innerhalb von 14 Tagen den Reisepreis vollständig erstatten.

Am 2.4.2020 wurde dazu von der Bundesregierung (sog. Corona-Kabinett) eine Pressemitteilung veröffentlicht. Danach sollten die Kunden für Reisen, die vor dem 8.3.2020 gebucht worden sind, einen Gutschein erhalten. Dieser sollte abgesichert sein. Bei Härtefällen wird es bei der alten Regelung von § 651h Abs. 5 BGB (Zahlung) bleiben. Der Wert des Gutscheins sollte bis zum 31.12.2020 begrenzt sein und sich danach in einen Zahlungsanspruch umwandeln. Ähnliches sollte für Flüge und andere Veranstaltungen gelten. Solange nicht klar zu erkennen ist, welche Vor- bzw. Nachteile eine Gutscheinlösung für den Kunden bringen soll, ist derzeit der Beschluss der Regierung kritisch zu bewerten. Das vom Europäischen Gerichtshof ständig zitierte "hohe Schutzniveau für den Verbraucher" (vgl. bei Schmid, Flugastrechte-Verordnung, 2018, Art. 1 Rn 6 ff.), so z.B. für die VO-EG 261 2004 (Flugastrechte VO), würde durch ein solches Gesetzesvorhaben unterlaufen werden, wenn dem Kunden nur Gutscheine statt Bargeld angeboten werden könnten. Mögliche Härtefallklauseln bzw. ihre Ausgestaltung sind in der Beschluss-Vorlage des Bundes bisher nicht bekannt gemacht worden.

Die Bundesregierung hat nun den "Entwurf eines Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Pauschalreisevertragsrecht" auf den Weg gebracht. Im Kern dieses Gesetzes ist vorgesehen, das für Pauschalreiseverträge, die vor dem 8.3.2020 abgeschlossen worden sind, der Reiseveranstalter dem Kunden einen Gutschein anbieten kann. Dabei hat der Kunde ein Wahlrecht dahingehend, ob er diesen Gutschein annehmen will oder nicht. Auf dieses Wahlrecht muss der Reiseveranstalter ausdrücklich hinweisen. Der Gutschein ist nur bis zum 31.12.2021 gültig. Die Insolvenzsicherung des Gutscheins soll mit einer entsprechenden Anwendung des § 651r BGB hergestellt werden. Das bedeutet, der Gutschein ist im Fall der Insolvenz des Reiseveranstalters von der Insolvenzversicherung mit abgedeckt. Für den Fall, dass die Insolvenzversicherung (wie im Fall der Thomas Cook-Insolvenz) nicht ausreichend ist, kann der Kunde die Differenz von der Bundesrepublik Deutschland fordern. Der Bundesrat hat am 5.6.2020 den Entwurf mit zahlreichen Ergänzungshinweisen an die Bundesregierung zurückverwiesen. So muss u.a. sichergestellt werden, dass dem Kunden mit dem Gutschein keine weiteren Kosten entstehen.

Die Bundesregierung hat dazu eine Gegenäußerung verfasst und dann alle Dokumente dem Bundestag vorgelegt. Dieser beriet den Gesetzentwurf erstmals am 17.6.2020. Der Bundestag soll sodann das Gesetz in 2./3. Lesung verabschieden (am 2.7.2020 [Anm. d. Red.]), dann befasst sich der Bundesrat noch einmal abschließend damit.

Derzeit bleibt es bei der Pflicht zur Erstattung nach § 651h Abs.5 BGB. Danach kann der Kunde nach dem Rücktritt wegen Corona innerhalb von 14 Tagen sein Geld verlangen. Für die Nur-Flüge ist keine Änderung der VO-EG 261 2004 im Sinne einer Gutscheinlösung vorgesehen. Es bleibt bei dem unmittelbaren Erstattungsanspruch nach Art. 8 (1) soweit die VO-EG 216 2004 anwendbar ist.

Der Pauschalreisende ist nach Auffassung des Autors zumindest derzeit rechtlich klar im Vorteil. Bei dem gegenwärtigen Stand der Dinge kann der Pauschalreisende bei einer Rücktrittserklärung nach § 651h Abs. 3 BGB die vollständige Erstattung des Reisepreises innerhalb von 14 Tagen vom Reiseveranstalter verlangen. Der Veranstalter hat derzeit (noch) nicht das Recht, den Kunden einfach "umzubuchen" oder ihm einen "Reisegutschein" anzubieten. Das ist in den §§ 651a ff. BGB nicht geregelt.

 

Hinweis:

So etwas kurzfristig mit Hilfe sog. Notstandsregelungen ins Gesetz zu heben, ist wenig hilfreich. Vielmehr sollte diese Krise individuell gelöst werden, wobei der Kundenwunsch immer Vorrang haben muss. Später kann man sich dann über eine Anpassung des Gesetzes Gedanken machen.

Rückwirkende Gesetzesänderungen sind problematisch. Das BVerfG hat u.a. in einem Beschl. v. 17.12.2013 (1 BvL 5/08) deutlich gemacht, dass der Gese...

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