Zusammenfassung
Die Verjährungsfrist des Anspruchs auf Stellung einer Bauhandwerkersicherung nach § 648a Abs. 1 S. 1 BGB i.d.F. vom 23.10.2008 (jetzt § 650f Abs. 1 S. 1 BGB) beginnt nicht vor dem Verlangen des Unternehmers nach Sicherheit.
(amtlicher Leitsatz)
BGH, Urt. v. 25.3.2021 – VII ZR 94/20 (ZAP EN-Nr. 347/2021)
I. Sachverhalt
Ein Unternehmen wird von der Klägerin im Jahr 2013 mit der Erbringung von Rohbauarbeiten für die Errichtung eines Mehrfamilienhauses beauftragt. Nach Abnahme der Arbeiten legte die Klägerin im Jahre 2014 Schlussrechnung. Über die strittige Schlussrechnung wird ein Werklohnprozess geführt. Erst im Jahr 2018 (also nach Ablauf von drei Jahren seit Schlussrechnung) forderte die Unternehmerin die Bauherrschaft erfolglos auf, eine Sicherheit für noch nicht gezahlte Vergütungen zu stellen.
Die Klage auf Sicherheit wird vom Landgericht wegen Verjährung abgewiesen. Auf die Berufung verurteilt das Berufungsgericht den Bauherren zur Stellung der Sicherheit. Dieser Anspruch sei nicht verjährt.
Der BGH weist die dagegen gerichtete Revision zurück.
II. Entscheidung der Gerichte
Die Entscheidung befasst sich mit der Frage, ob es sog. verhaltene Ansprüche im Baurecht gibt.
Mit der neuen Entscheidung vom 25.3.2021 (VII ZR 94/20), die die Verjährungseinrede des Bauherrn unbeachtet lässt, hat der BGH nach einem langen Streit in Rechtsprechung und Literatur die Existenz von verhaltenen Ansprüchen im Baurecht bejaht.
Erstaunlich ist: Wenn man in Inhaltsverzeichnissen – nicht nur baurechtlicher – Schriften oder Kommentare diesen Terminus sucht, findet man nichts. Trotzdem sind sie keine beliebige Erfindung. Ein verhaltener Anspruch ist ein Anspruch, der fällig wird und dessen Verjährung erst dann beginnt, wenn er tatsächlich geltend gemacht wird.
Beispielsweise stellt bei der Leihe die Aufforderung zur Rückgabe eine konkludente Kündigung dar. Das Leihverhältnis wird also durch eine ordentliche Kündigung beendet oder in ein Rückabwicklungsverhältnis umgewandelt. Wenn der Anspruch von einer Kündigung abhängt, läuft die Verjährung erst ab Kündigung. Hier regelt § 604 Abs. 5 BGB ausdrücklich den Beginn der Verjährung auf Rückgabe der Sache mit Beendigung der Leihe. Genauso ist es bei der Verwahrung: Nach § 695 S. 2 BGB beginnt die Verjährung des Anspruchs auf Rückgabe der Sache mit der Rückforderung. Das leuchtet ein, weil erst das Rückgabeverlangen das Rechtsverhältnis in ein Rückgabeverhältnis umgestaltet.
Eine ähnliche Vorschrift, die den Beginn der Verjährung an eine Handlung des Berechtigten knüpft, enthält das neue Baurecht in § 650g Abs. 4 BGB. Danach ist die Vergütung aus einem Werkvertrag erst und nur dann zu entrichten, wenn der Unternehmer eine prüffähige Schlussrechnung erteilt hat (§ 650g Abs. 4 Ziff. 2 BGB).
All diesen Ansprüchen ist gemeinsam, dass die Verjährung erst nach einer Handlung des Berechtigten beginnt.
Wie steht es nun mit dem Anspruch auf Bauhandwerkersicherung (§ 648a BGB a.F., § 650f BGB n.F.)? Entsprechende Regelungen enthält die Vorschrift weder in der alten noch der neuen Fassung. Die Vorschrift ist mehrfach geändert und seit Inkrafttreten des Forderungssicherungsgesetzes mit Wirkung ab 1.1.2009 als strikter Anspruch ausgestaltet worden. Obwohl das Thema des verhaltenen Anspruchs bereits damals diskutiert worden ist, hat der Gesetzgeber eine Sonderregelung für die Verjährung nicht getroffen. Muss daraus geschlossen werden, dass die regelmäßige dreijährige Verjährungsfrist (§ 195 BGB) des Anspruchs auf Bauhandwerkersicherung bereits mit Abschluss des Bauvertrags zu laufen beginnt? Oder sind die Ausnahmevorschriften der §§ 604 Abs. 5, 695 S. 2 BGB gleichwohl analog anzuwenden?
Das Thema des verhaltenen Anspruchs war bereits vor Änderung des § 648a BGB a.F. (jetzt § 652f BGB) Gegenstand höchstrichterlicher Entscheidung. Der XI. Senat des BGH hatte hierzu durch Urteil vom 29.1.2008 (XI ZR 160/07, NJW 2008, 1729, 1730, 1731) ausgeführt:
Zitat
„Die Fälligkeit einer Bürgschaftsforderung tritt mit der Fälligkeit der Hauptschuld ein und ist nicht von einer Leistungsaufforderung des Gläubigers abhängig. Das Gesetz sieht eine Leistungsaufforderung des Gläubigers als Entstehungs- oder Fälligkeitsvoraussetzung der Bürgschaftsforderung nicht vor. Die Forderung aus der Bürgschaft gehört nicht zu den sog. verhaltenen Ansprüchen, deren Verjährung Kraft ausdrücklicher Regelung (vgl. §§ 604 Abs. 5, 695 S. 2, 696 S. 3 BGB) erst mit ihrer Geltendmachung oder unter weiteren Voraussetzungen beginnt. Mit der Schutzintention wäre es unvereinbar, die Fälligkeit der Bürgschaftsforderung von einer Leistungsaufforderung des Gläubigers abhängig zu machen und diesem damit die Möglichkeit zu eröffnen, den Verjährungsbeginn und die Notwendigkeit verjährungsunterbrechender Maßnahmen beliebig hinauszuzögern.”
Eine ähnliche Entscheidung des XI. Senats des BGH enthält das Urteil vom 11.9.2012 (XI ZR 56/11, ZAP EN-Nr. 3/2013); in Leitsatz 3 wird dort ausgeführt:
Zitat
„Der Anspruch des Auftraggebers aus einer auf Zahlung gerichteten Gewährleistungsbürgschaft entsteht, wenn die in § 13 A...