Das Vertrauen in die Justiz hat in vielen EU-Staaten zuletzt gelitten. Das ist eines der Ergebnisse des jüngsten EU-Justizbarometers. Das EU-Justizbarometer trägt zum Monitoring i.R.d. Europäischen Mechanismus zur Wahrung der Rechtsstaatlichkeit bei; seine Ergebnisse fließen etwa in den jährlichen Rechtsstaatlichkeitsbericht der EU-Kommission ein. Gemessen werden hauptsächlich drei Aspekte innerhalb der einzelstaatlichen Justizsysteme: die Effizienz der Justiz (also z.B. Verfahrensdauer und Verfahrensabschlussquote), die Qualität (z.B. die Zugänglichkeit der Justiz durch Prozesskostenhilfe und Gerichtsgebühren sowie auch die Ausstattung der Gerichte) sowie die Unabhängigkeit der Gerichte und Staatsanwaltschaften.
Insbesondere im Hinblick auf die Digitalisierung der Justiz besteht in vielen Mitgliedstaaten noch erheblicher Verbesserungsbedarf, wie der jüngste Bericht feststellt. Mehrere Mitgliedstaaten hätten zwar neue Maßnahmen ergriffen, um ein ordnungsgemäßes Funktionieren der Gerichte und einen fortlaufenden und einfachen Zugang zur Justiz für alle zu gewährleisten. Dennoch zeigten die Ergebnisse des Justizbarometers 2022, dass die Mitgliedstaaten die Reformen zur Modernisierung in diesem Bereich beschleunigen müssen. Im Hinblick auf den gleichberechtigten Zugang zur Justiz für Behinderte bemängelt der Bericht, dass derzeit nur die Hälfte der Mitgliedstaaten auch Brailleschrift oder Gebärdensprache auf Anfrage anbietet.
Auch was die Wahrnehmung der Unabhängigkeit der Justiz in der Bevölkerung angeht, sieht die Kommission nach wie vor Probleme: In 17 Mitgliedstaaten habe sich die Wahrnehmung der Unabhängigkeit der Justiz durch die breite Öffentlichkeit gegenüber 2016 zwar verbessert. In 16 Staaten sei sie jedoch zurückgegangen. Letzteres gilt auch für Deutschland: Die Unabhängigkeit der Justiz wird hierzulande von etwa 75 % der Bevölkerung als recht gut oder sehr gut bewertet, während es im Vorjahr noch 80 % waren. Etwas besser sieht es in der deutschen Wirtschaft aus: Der Anteil der Unternehmen, die die Unabhängigkeit von Gerichten und Richtern positiv wahrnehmen, ist im Vergleich zum Vorjahr von knapp 70 % auf etwas unter 80 % gestiegen.
Hinsichtlich des erst seit letztem Jahr enthaltenen Kriteriums der Unabhängigkeit der Anwaltschaft und der Rechtsanwaltskammern ist die EU-Kommission der Ansicht, dass die Unabhängigkeit im Großen und Ganzen gewährleistet ist; der Bericht hebt allerdings auch hervor, dass in einigen Mitgliedstaaten noch die Exekutive die Aufsichtsbefugnis über die Kammern ausübt.
Das vollständige EU-Justizbarometer 2022 kann (derzeit nur in der englischen Fassung) von der Webseite der EU-Kommission unter https://ec.europa.eu/info/files/eu-justice-scoreboard-2022_en heruntergeladen werden.
[Quelle: EU-Kommission]