I. Einleitung
Durch das sog. Gesetz zur Stärkung des Verbraucherschutzes im Wettbewerbs- und Gewerberecht vom 10.8.2021 (BGBl I 3504) wird die sog. Omnibus-Richtlinie (EU) 2019/2161 zur besseren Durchsetzung und Modernisierung der Verbraucherschutzvorschriften der Union vom 27.11.2019 (ABL L 328 S. 7), dieâEUR™auch eine Änderung früherer Richtlinien wie etwa der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken (UGP-RL) vorsieht, in nationales Recht umgesetzt. Ziele der Richtlinie sind u.a. dieâEUR™Modernisierung und Anpassung verbraucherschützender Regelungen durch eine Erhöhung der Transparenz im Online-Handel sowie die Einführung eines individuellen Anspruchs auf Schadensersatz für Verbraucher, die durch unlautere geschäftliche Handlungen geschädigt wurden. Diese Umsetzung erfolgt durch zahlreiche Änderungen des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb (UWG).
Praxishinweis:
Die Neuregelungen sind am 28.5.2022 in Kraft getreten (s. bereits Anwaltsmagazin ZAP 2022, S. 532).
Der folgende Überblick zu wesentlichen Neuerungen (mit Ausnahme der neuen Bußgeldvorschriften in § 19 UWG) orientiert sich vornehmlich am Gesetzesaufbau des UWG.
II. Anwendungsbereich des UWG und Begriffsbestimmungen
1. Einführung von § 1 Abs. 2 UWG
Nach § 1 Abs. 2 UWG gehen Vorschriften zur Regelung besonderer Aspekte unlauterer geschäftlicher Handlungen den Regelungen des UWG vor. In der Rechtsprechung des BGH war jedoch schon bislang anerkannt, dass bereichsspezifischen Vorschriften, wie etwa medienrechtlichen Regelungen zur Kennzeichnung einer kommerziellen Kommunikation als Werbung, Vorrang vor allgemeinen lauterkeitsrechtlichen Vorschriften zukommen kann (BGH, Urt. v. 9.9.2021 – I ZR 125/20, GRUR 2021, 1414 Rn 67 zum Vorrang der Spezialvorschrift des § 6 Abs. 1 Nr. 1 TMG vor § 5a Abs. 6 UWG a.F.).
2. Änderungen und Ergänzungen in § 2 UWG (Begriffsbestimmungen)
Die Überschrift zu § 2 UWG wurde in "Begriffsbestimmungen" geändert, die dort aufgeführten Begriffe werden nunmehr alphabetisch aufgeführt und um weitere Begriffe ergänzt.
Praxishinweis:
Der Definitionskatalog in § 2 UWG enthält wichtige Grundbegriffe, die in den einzelnen Unlauterkeitstatbeständen verwendet werden und die Rechtsanwendung erleichtern sollen.
a) Geschäftliche Entscheidung
Der Begriff der "geschäftlichen Entscheidung" findet sich unverändert in § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG. Er umfasst nicht nur die Entschließung eines Verbrauchers über den Erwerb eines Produkts, sondern auch vorgelagerte Entscheidungen wie etwa über das Aufsuchen eines Geschäfts oder einer Portalseite im Internet oder die Ausübung vertraglicher Rechte im Zusammenhang mit einer Ware (BGH, Urt. v. 9.9.2021 – I ZR 90/20, GRUR 2021, 1400 Rn 95) und ist bei der Anwendung der Unlauterkeitstatbestände einer aggressiven geschäftlichen Handlung (§ 4a Abs. 1 S. 1 UWG), einer Irreführung (§ 5âEUR™Abs. 1 S. 1 UWG) oder einer Irreführung durch Unterlassung (§ 5a Abs. 1 UWG; u.V.1.) von Bedeutung.
b) Geschäftliche Handlung
Der zentrale Begriff der "geschäftlichen Handlung" findet sich nunmehr in § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG undâEUR™wurde inhaltlich ergänzt. Klargestellt wurde, dass – wie schon bislang – auch digitale Inhalte und digitale Dienstleistungen erfasst sind. Zudem wurde eine Ergänzung aufgenommen, dass die geschäftliche Handlung auch in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen oder mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen stehen muss. In der Rechtsprechung des BGH wird jedoch, mit Rücksicht auf Art. 2 lit. d UGP, schon bislang davon ausgegangen, dass eine geschäftliche Handlung vorrangig dem Ziel dienen muss, die geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers im unmittelbaren Zusammenhang mit der Absatzförderung zu beeinflussen (etwa BGH, Urt. v. 10.1.2013 – I ZR 190/11, GRUR 2013, 945 Rn 18). Dient eine Handlung dagegen vorrangig anderen Zielen, wie redaktionelle oder weltanschauliche Äußerungen ohne einen funktionalen Zusammenhang mit der Absatz- oder Bezugsförderung, so liegt keine geschäftliche Handlung vor (BGH, Urt. v. 9.9.2021 – I ZR 90/20, GRUR 2021, 1400 Rn 31).
Im Einzelfall erfordert die Frage, ob eine geschäftliche Handlung vorliegt, auch bei dem zunehmend bedeutsamen sog. Influencer-Marketing (vgl. auch BT-Drucks 19/27873 S. 32) eine differenzierte Betrachtung, ob eine Förderung des eigenen oder eines fremden Unternehmens vorliegt.
Handelt es sich bei dem Influencer um einen Unternehmer (§ 2 Abs. 1 Nr. 8 UWG), so kommt zum einen eine geschäftliche Handlung zugunsten des eigenen Unternehmens in Betracht, wenn dieser über soziale Medien (z.B. ein Instagram-Profil) selbst Produkte vertreibt oder seinen Bekanntheits- und Werbewert für werbewillige Drittunternehmen steigert (Eigenwerbung). Dabei soll es unerheblich sein, ob eine finanzielle Gegenleistung des beworbenen Unternehmens an den Influencer erbracht wird (BGH, a.a.O., GRUR 2021, 1400 Rn 47 ff.; abweichend offenbar die Gesetzesbegründung BT-Drucks 19/27873 S. 32; dazu kritisch Büscher, WRP 2022, 1 Rn 27).
Eine geschäftliche Handlung zugunsten eines fremden Unternehmens kommt in Betracht, wenn ein Influencer für einen Werbebeitrag eine Gegenleistung des beworbe...