Zusammenfassung
Bei Beteiligung Minderjähriger im Erbrecht ist eine Vielzahl familienrechtlicher Besonderheiten zu berücksichtigen. Regelmäßig stellen sich in diesen Fällen Fragen zu der gesetzlichen Vertretung des Minderjährigen, insb. zu einem möglichen Vertretungsausschluss bei Vorliegen einer Interessenkollision zwischen gesetzlichem Vertreter und Minderjährigem, und dem Erfordernis einer familiengerichtlichen Genehmigung sowie dem Ablauf des familiengerichtlichen Verfahrens.
Dieser Aufsatz gibt unter Berücksichtigung der gesetzlichen Neuerungen einen kurzen Überblick über die genannten Problemfelder und zeigt Besonderheiten bei Annahme bzw. Ausschlagung der Erbschaft des Minderjährigen im Zusammenhang mit dem familiengerichtlichen Genehmigungserfordernis auf.
I. Gesetzliche Vertretung, Vertretungsausschluss und familiengerichtliche Genehmigung
1. Gesetzliche Vertretung: Eltern, Elternteil, Vormund
Gemäß § 104 Nr. 1 BGB sind Kinder unter sieben Jahren nicht geschäftsfähig, können keine eigenen Willenserklärungen abgeben und bedürfen einer gesetzlichen Vertretung. Zwischen dem siebten und 17. Lebensjahr können Minderjährige eigene Willenserklärungen, durch die sie nicht nur einen rechtlichen Vorteil erlangen, abgeben, bedürfen hierfür aber gem. § 107 BGB der Einwilligung ihres gesetzlichen Vertreters.
Minderjährige werden i.d.R. von ihren Eltern vertreten. Dies folgt aus § 1629 Abs. 1 S. 1 BGB. Die Vertretung erfolgt dabei grds. gemeinschaftlich gem. § 1629 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 BGB, solange die elterliche Sorge von den Eltern gemeinsam ausgeübt wird, eine Willenserklärung nicht nur gegenüber dem Kind abzugeben ist und keine Gefahr im Verzug besteht (§ 1629 Abs. 1 S. 4 BGB). Ist ein Elternteil vorverstorben oder wurde ihm die elterliche Sorge entzogen, wird der Minderjährige durch den anderen Elternteil vertreten (§ 1629 Abs. 1 S. 3 BGB). Sind beide Elternteile verstorben oder wurde beiden Elternteilen die elterliche Sorge entzogen, erhält der Minderjährige einen Vormund (§ 1773 Abs. 1 BGB).
2. Vertretungsausschluss: Interessenkollision und Ergänzungspflegschaft
Es gibt Fallkonstellationen, in denen die Eltern oder der Vormund den Minderjährigen nicht wirksam vertreten dürfen. Dies betrifft diejenigen Fälle, in denen eine Interessenkollision gegeben ist. Für Eltern ergibt sich das aus § 1629 Abs. 2 S. 1 BGB, welcher auf § 1824 BGB verweist. Dieser wiederum enthält einen Katalog von abstrakten Fällen, in denen die gesetzliche Vertretungsmacht ausgeschlossen wird (Münchener Anwaltshandbuch Erbrecht/Pawlytta, § 42 Rn 4).
Über § 1824 Abs. 2 BGB kommt § 181 BGB zur Anwendung. Danach sind sog. Insichgeschäfte verboten. Allerdings liegt kein Insichgeschäft vor, wenn der gesetzliche Vertreter sowohl für sich selbst als auch im Namen des Vertretenen bzw. mehrerer Vertretener handelt, daher auf derselben Seite des Rechtsgeschäfts steht (BGH, Urt. v. 23.2.1968 – V ZR 188/64, BGHZ 50, 8). Eine Ausnahme gilt auch dann, wenn das Rechtsgeschäft lediglich rechtlich vorteilhaft ist oder der Erfüllung einer Verbindlichkeit dient.
Der Entzug des gesetzlichen Vertretungsrechts bei konkreten Interessenkonflikten kann nicht Gegenstand abstrakter Regelungen sein und unterliegt deswegen familiengerichtlicher Würdigung (§§ 1629 Abs. 2 S. 3, 1789 Abs. 2 BGB; MüKo-BGB/Huber, § 1629 Rn 43). Voraussetzung für den Entzug der Vertretungsmacht in diesen Fällen ist das Vorliegen eines erheblichen Interessengegensatzes. Dieser ist gegeben, wenn die Förderung des einen Interesses nur auf Kosten des anderen erfolgen kann und die Gefahr besteht, dass die sorgeberechtigten Eltern das Kindesinteresse nicht genügend berücksichtigen werden (OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 2.7.2013 – 6 WF 104/13, FamRZ 2014, 678). Es genügt allerdings nicht die bloße Möglichkeit eines Interessenkonflikts. Dieser muss vielmehr konkret festgestellt werden (BGH, Beschl. v. 12.2.2014 – XII ZB 592/12, NJW-RR 2014, 900).
Ein Vertretungsverbot für einen Elternteil nach § 1629 Abs. 2 BGB führte bisher nach h.M. dazu, dass auch der andere Elternteil nicht zur Vertretung berechtigt war und zwar unabhängig davon, ob die Eltern miteinander verheiratet/verpartnert waren oder nicht (BGH, Urt. v. 14.6.1972 – IV ZR 53/71, NJW 1972, 1708; OLG Oldenburg, Beschl. v. 27.11.2012 – 13 UF 128/12, FamRZ 2013, 1671; OLG Hamm, Urt. v. 13.1.1993 – 15 W 216/92, FamRZ 1993, 1122). Der Ausschluss ergab sich nicht aus dem Gesetzeswortlaut des § 1629 Abs. 2 S. 1 BGB a.F., wurde aber aus einer teleologischen Auslegung der Norm gefolgert. Die Kindesinteressen seien aufgrund von Interessenkollisionen bei den Eltern weiterhin gefährdet, wenn der Ehegatte/Lebenspartner des ausgeschlossenen Elternteils für das Kind handle (BGH, Urt. v. 14.6.1972 – IV ZR 53/71, NJW 1972, 1708).
Der BGH hat sich von dieser Auffassung nunmehr in einer Entscheidung zum Vaterschaftsanfechtungsverfahren distanziert (BGH, Beschl. v. 24.3.2021 – XII ZB 364/19, BGHZ 229, 239). Er vertritt nun die Auffassung, dass der Vertretungsausschluss eines Elternteils nach § 181 BGB oder § 1629 Abs. 2 BGB a.F., § 1795 Abs. 1 BGB a.F. sich nicht auf den anderen, nicht mit dem betroffenen Elternteil verheirateten und selbst nicht betroffenen Elternteil erstreckt. Der BGH begrü...