Ist ein Minderjähriger als gesetzlicher oder gewillkürter Erbe berufen, ergeben sich bei der Annahme bzw. Ausschlagung der Erbschaft praxisrelevante Besonderheiten insb. im Zusammenhang mit dem Erfordernis einer familiengerichtlichen Genehmigung.
1. Annahme der Erbschaft
Die Annahmeerklärung ist eine einseitige, nicht empfangsbedürftige Willenserklärung (MüKo-BGB/Leipold, § 1943 Rn 10 m.w.N.). Voraussetzung für deren Wirksamkeit ist die Geschäftsfähigkeit des Erklärenden. Für den geschäftsunfähigen Minderjährigen muss der gesetzliche Vertreter die Annahme der Erbschaft erklären. Der in der Geschäftsfähigkeit beschränkte Minderjährige kann die Annahme der Erbschaft selbst erklären, bedarf hierzu jedoch gem. § 107 BGB der Einwilligung (§ 183 BGB) seines gesetzlichen Vertreters. Die Annahme der Erbschaft ist für den Minderjährigen nicht lediglich rechtlich vorteilhaft, da sie gem. § 1943 BGB zugleich den Verlust des Rechts zur Ausschlagung der Erbschaft bedeutet (MüKo-BGB/Leipold, § 1943 Rn 8). Ohne Einwilligung des gesetzlichen Vertreters ist die Annahme gem. § 111 S. 1 BGB unwirksam.
Die Annahme der Erbschaft bedarf keiner familiengerichtlichen Genehmigung, wie sich e contrario aus § 1643 Abs. 1 BGB ergibt (Beck-OGK/Heinemann, § 1943 BGB Rn 24 m.w.N.). Dies ist konsequent, da in den Fällen, in denen durch den gesetzlichen Vertreter des Minderjährigen die Annahme der Erbschaft nicht erklärt oder die erforderliche Einwilligung zur Annahmeerklärung des Minderjährigen selbst nicht erteilt wird, die Erbschaft mit Ablauf der Ausschlagungsfrist des § 1944 BGB gem. § 1943 BGB als angenommen gilt.
2. Ausschlagung der Erbschaft
Die Ausschlagungserklärung ist eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung – sie ist gem. § 1945 BGB gegenüber dem Nachlassgericht abzugeben. Die Ausschlagung ist für den beschränkt geschäftsfähigen Minderjährigen ebenfalls nicht lediglich rechtlich vorteilhaft, da sie mit dem Verlust der Erbschaft einhergeht (Beck-OGK/Heinemann, § 1945 BGB Rn 81 m.w.N.). Folglich bedarf auch sie gem. § 107 BGB der Einwilligung des gesetzlichen Vertreters.
Im Gegensatz zur Annahme bedarf die Ausschlagung gem. §§ 1643 Abs. 1, 1851 Nr. 1 BGB (Eltern) bzw. §§ 1799 Abs. 1, 1851 Nr. 1 BGB (Vormund) bzw. §§ 1813 Abs. 1, 1799 Abs. 1, 1851 Nr. 1 BGB (Pfleger) grds. der Genehmigung des Familiengerichts.
Allerdings normiert § 1643 Abs. 3 S. 1 BGB eine Ausnahme von diesem Grundsatz: Die Ausschlagung bedarf keiner Genehmigung, soweit der Anfall der Erbschaft an den Minderjährigen erst infolge der Ausschlagung eines vertretungsberechtigten Elternteils eintritt und dieser Elternteil nicht neben dem Minderjährigen berufen war. Dieser Ausnahme liegt die gesetzgeberische Vermutung zugrunde, dass die Erbschaft für den ausschlagenden Elternteil und somit auch für den Minderjährigen nachteilig ist (Beck-OGK/Eitzinger, § 1643 BGB Rn 28 m.w.N.). Ob die Erbschaft für den Minderjährigen tatsächlich nachteilig, insb. nicht werthaltig ist, ist hierbei unerheblich (so OLG Hamm, Beschl. v. 20.8.2021 – 10 W 49/21, BeckRS 2021, 57912 m.w.N.; ablehnend Eue, ZEV 2018, 624). Dies mag im Einzelfall unbillig erscheinen, ist aus Gründen der Rechtssicherheit jedoch geboten, da die Frage des Genehmigungserfordernisses ansonsten von der Frage der Werthaltigkeit des Nachlasses abhinge, diese aber regelmäßig nicht innerhalb der (kurzen) Ausschlagungsfrist hinreichend geklärt werden kann.
Weithin strittig ist die Frage des Genehmigungserfordernisses in den Fallkonstellationen der lenkenden bzw. selektiven Ausschlagung (vgl. Beck-OGK/Eitzinger, § 1643 BGB Rn 44 ff.). Bei der selektiven Ausschlagung sind nach Ausschlagung eines vertretungsberechtigten Elternteils für sich regelmäßig mehrere minderjährige Kinder zu Erben berufen, die Erbschaft wird von den vertretungsberechtigten Eltern dann jedoch nur – selektiv – für einen Teil dieser ausgeschlagen. Bei der lenkenden Ausschlagung wird typischerweise ausgeschlagen, um den Anfall der Erbschaft gezielt einer oder mehreren anderen (dritten) Personen zuzuleiten. In Fällen, in welchen zwar in Lenkungsabsicht ausgeschlagen wird, sodann aber (ggf. aufgrund erneuter Ausschlagung) keine eigene Erbschaft der ausschlagenden Eltern begründet wird, besteht mithin keine Genehmigungspflicht (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 28.6.2018 – 11 WF 112/18, ZEV 2018, 645; OLG Köln, Beschl. v. 26.4.2012 – II-12 UF 10/12, ZEV 2013, 199).
Fallbeispiel:
Die Tochter des Erblassers ist entsprechend gesetzlicher Erbfolge zur Erbin berufen. Diese hat einen minderjährigen Sohn, den Enkel des Erblassers, für welchen sie alleinvertretungsberechtigt ist.
Um ihrer Tante, der Schwester des Erblassers und sonst einzig noch lebenden Verwandten, die Erbschaft zukommen zu lassen, schlägt die Tochter die Erbschaft für sich und sodann für ihren Sohn aus.
a) Lenkende Ausschlagung
Problematisch sind jene Fälle, in welchen eine Ausschlagung der Erbschaft des Minderjährigen durch die vertretungsberechtigten Eltern erfolgt, um gezielt eine eigene gesetzliche Erbenstellung eines Elternteils, welche sodann angenommen wird, herbeizuführen ...