Mit Urt. v. 23.8.2023 hat das BAG (23.8.2023 – 5 AZR 349/22, NZA 2023, 1607) entschieden: Ist dem Arbeitnehmer auf der Grundlage der betrieblichen Regelungen bekannt, dass der Arbeitgeber die Arbeitsleistung für den darauffolgenden Tag in Bezug auf Uhrzeit und Ort konkretisieren wird, ist er verpflichtet, eine solche per SMS mitgeteilte Weisung auch in seiner Freizeit zur Kenntnis zu nehmen.
Vor dem BAG stritten die Parteien über die (Wieder-)Gutschrift von Arbeitsstunden auf dem für den Kläger geführten Arbeitszeitkonto sowie über die Entfernung einer Abmahnung aus seiner Personalakte. Der Kläger ist seit 1.1.2003 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgänger, die in fünf Kreisen in Schleswig-Holstein den Rettungsdienst durchführt, als Notfallsanitäter in Vollzeit beschäftigt. Seine Stammwache befindet sich in B. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme der TVöD-VKA Anwendung. Die Beklagte und der bei ihr gebildete Betriebsrat haben die Betriebsvereinbarung „Arbeitszeitgrundsätze in der RKISH – Teil: Einsatzdienst” (iF: BV) geschlossen, die u.a. bestimmt, dass ein Arbeitszeitkonto geführt wird und wie die Buchungen zu erfolgen haben. Weiter war im Einzelnen bestimmt, wie der Schichtplan gestaltet ist und dass nach grundsätzlicher Bereitschaftsanzeige des Arbeitnehmers und grundsätzlicher Einteilung im Dienstplan eine Konkretisierung der exakten Arbeitszeiten per SMS erfolgen kann. Der Kläger erhielt in seiner Freizeit eine solche SMS und nahm die Tätigkeit am 8.4.2021 nicht auf.
Während das ArbG die Klage abwies, gab das LAG ihr teilweise statt. Das BAG stellt die erstinstanzliche Entscheidung wieder her. Die Klage ist nicht begründet. Der Kläger kann keine Korrektur des Arbeitszeitkontos für den 8.4.2021 verlangen, weil sich die Beklagte nicht im Annahmeverzug befunden hat. Der Kläger hat die geschuldete Arbeitsleistung nicht ordnungsgemäß angeboten. Nach § 293 BGB kommt der Arbeitgeber in Annahmeverzug, wenn er im erfüllbaren Arbeitsverhältnis die ihm angebotene Leistung nicht annimmt. Im unstreitig bestehenden Arbeitsverhältnis muss der Arbeitnehmer die Leistung grds. tatsächlich anbieten, § 294 BGB. Der Arbeitnehmer muss die Arbeitsleistung so anbieten, wie sie zu bewirken ist, also am rechten Ort, zur rechten Zeit und in der rechten Art und Weise entsprechend den vertraglichen Vereinbarungen bzw. deren Konkretisierung kraft Weisung nach § 106 S. 1 GewO. Ein wörtliches Angebot genügt (nur), wenn der Arbeitgeber ihm erklärt hat, er werde die Leistung nicht annehmen oder sei nicht verpflichtet, den Arbeitnehmer in einem die tatsächliche Heranziehung übersteigenden Umfang zu beschäftigen (§ 295 BGB). Ein Angebot der Arbeitsleistung kann ausnahmsweise entbehrlich sein, wenn offenkundig ist, dass der Gläubiger auf seiner Weigerung, die geschuldete Leistung anzunehmen, beharrt. Danach war der Kläger verpflichtet, die geschuldete Arbeitsleistung tatsächlich anzubieten (§ 294 BGB). Es ist weder festgestellt noch vorgetragen, dass die Beklagte zuvor erklärt habe, sie werde die Arbeit nicht annehmen, womit ein nur wörtliches Angebot (§ 295 BGB) genügt hätte.
Konkret: Der Kläger hat die am 8.4.2021 geschuldete Arbeitsleistung nicht tatsächlich am rechten Ort, zur rechten Zeit und in der rechten Art und Weise angeboten. Er schuldete nicht lediglich eine telefonische Anzeige seiner Einsatzbereitschaft um 07:30 Uhr in Anwendung von § 4f Abs. 8 S. 3 Betriebsvereinbarung in Verbindung mit den Regelungen während der Corona-Pandemie. Erforderlich wäre ein tatsächliches Angebot der Arbeitsleistung auf der Wache in B um 06:00 Uhr gemäß der SMS gewesen, weil die Beklagte den Dienst des Klägers nach § 4f Abs. 8 S. 1 BV wirksam dahingehend konkretisiert und ihm eine entsprechende Weisung erteilt hat.
Hinweise:
1. |
Unionsrechtlich liegt bei der Kenntnisnahme der Weisung mittels SMS keine Arbeitszeit vor. Die Erfüllung dieser leistungssichernden Nebenpflicht führt nicht zu einer Kollision mit den Regelungen des Arbeitszeitgesetzes und der Richtlinie 88/2003/EG. Unter den Begriff Arbeitszeit i.S.d. Richtlinie 88/2003/EG fallen solche Zeitspannen, während deren dem Arbeitnehmer Einschränkungen von solcher Art auferlegt werden, dass sie seine Möglichkeit, die Zeit frei zu gestalten und sich seinen eigenen Interessen zu widmen, objektiv gesehen ganz erheblich beeinträchtigen. Erreichen die Einschränkungen keinen solchen Intensitätsgrad und erlauben diese es dem Arbeitnehmer, über seine Zeit zu verfügen und sich ohne größere Einschränkungen seinen eigenen Interessen zu widmen, liegt keine Arbeitszeit für die Zwecke der Anwendung der Richtlinie vor. |
2. |
Unterlässt es der Arbeitnehmer, die (rechtmäßigen) Weisungen des Arbeitgebers zur Aufnahme eines Dienstes zur Kenntnis zu nehmen und den zugeteilten Dienst anzutreten, liegt kein wirksames tatsächliches Angebot im bestehenden Arbeitsverhältnis vor. Vielmehr hat der Arbeitnehmer seine arbeitsvertragliche Pflicht konkret aus der Betriebsvereinbarung verletzt, sodass ... |