Der Gleichbehandlungsgrundsatz im Arbeitsrecht gebietet dem Arbeitgeber, seine Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern, die sich in vergleichbarer Lage befinden, bei Anwendung einer selbstgesetzten Regel gleich zu behandeln. Die Gestaltungsmacht des Arbeitgebers wird insoweit beschränkt. Bei Verletzung des Grundsatzes muss der Arbeitgeber die von ihm gesetzte Regel entsprechend korrigieren. Die benachteiligten Arbeitnehmer haben Anspruch auf die vorenthaltene Leistung.
Im Bereich der Arbeitsvergütung ist der Gleichbehandlungsgrundsatz unter Beachtung des Grundsatzes der Vertragsfreiheit bei individuellen Entgeltvereinbarungen dann anwendbar, wenn Arbeitsentgelt durch eine betriebliche Einheitsregelung generell angehoben wird und der Arbeitgeber die Leistungen nach einem bestimmten erkennbaren und generalisierenden Prinzip gewährt, indem er bestimmte Voraussetzungen oder Zwecke festlegt. Ein sachlicher Grund für eine Ungleichbehandlung – der einen Anspruch ausschließt – ist z.B. der Ausgleich unterschiedlicher Arbeitsbedingungen zwischen verschiedenen Gruppen von Arbeitnehmern, solange ein solcher Ausgleich herbeigeführt wird und keine Überkompensation eintritt. Durch Urteil vom 3.9.2014 (5 AZR 6/13, NZA 2015, 22) hatte das BAG zu entscheiden, wann bei einer Entgelterhöhung als begünstigender Maßnahme eine Überkompensation anzunehmen ist. Ob die Differenzierung der im Streit befindlichen Entgelterhöhungen sachgerecht war, kann bei unterschiedlichen Arbeitsbedingungen aufgrund verschiedener Arbeitsvertragsmodelle zuverlässig nur am Maßstab des auf Gleichbehandlung klagenden Arbeitnehmers beurteilt werden. Soweit einer früheren Entscheidung des BAG vom 14.3.2007 (NJW 2007, 2939, Rn. 28) Anderes entnommen werden sollte, hält das BAG daran nicht mehr fest. Im Rahmen des anzustellenden Gesamtvergleichs der Entgelte zählt zum Arbeitsentgelt jede Vergütung, die aus Anlass des Arbeitsverhältnisses gewährt wird, bzw. aufgrund gesetzlicher oder vertraglicher Entgeltfortzahlungstatbestände bezahlt werden muss. Gegenüberzustellen ist das Arbeitsentgelt, das der eine Gleichbehandlung fordernde Kläger im maßgeblichen Zeitraum aufgrund der für ihn geltenden arbeitsvertraglichen Regelungen tatsächlich verdient hat und dasjenige Arbeitsentgelt, das er erhalten hätte, wenn er zu den Konditionen der begünstigten Arbeitnehmer gearbeitet hätte. Zur Klärung dieser Frage wurde das Berufungsurteil aufgehoben und der Rechtsstreit zurückverwiesen. Rechtsfolge einer Überkompensation ist, dass in deren Umfang der sachliche Grund des Ausgleichs von Unterschieden nicht trägt.
Im neu eröffneten Berufungsverfahren gilt, hinsichtlich der Klärung ob, und ggf. wann eine Überkompensation der Nachteile der begünstigten Arbeitnehmer eingetreten ist, eine abgestufte Darlegungs- und Beweislast. Der Arbeitgeber, der eine Gruppe von Arbeitnehmern von Entgelterhöhungen ausgenommen hat, muss die Gründe für die Differenzierung offenlegen und substantiiert dartun. Sodann ist es Sache des sich auf eine Überkompensation berufenden Klägers, an Hand eines ihn betreffenden Gesamtvergleichs im Einzelnen darzulegen (und im Streitfall zu beweisen), dass die Beklagte unstreitig bestehende unterschiedliche Arbeitsbedingungen nicht nur ausgeglichen, sondern ab einem bestimmten Zeitpunkt überkompensiert hat.
Hinweis:
Ein Anwendungsbereich des Gleichbehandlungsgrundsatzes im Arbeitsrecht kann es auch sein, wenn zusätzliche Gehaltsbestandteile, wie Weihnachtsgeld oder Treueprämien, nicht allen Betriebsangehörigen bezahlt werden. Bei kollektiven Regelungen ist der betriebsverfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 75 BetrVG) einzuhalten, s. hierzu u. II. 2.