Im Zusammenhang mit Trennung und Scheidung und den sich daraus ergebenden Unterhaltsstreitigkeiten stellt sich vielfach die Frage, ob
- erst nach Ablauf eines Steuerjahres auf der Basis der dann feststehenden Werte der Vergangenheit oder
- aufgrund der aktuellen Werte trotz der damit verbundenen Unsicherheiten einer hypothetischen Steuerberechnung gerechnet werden soll.
Beispiel:
Die Eheleute trennen sich zum 15.10.2018. Dann gilt ab 1.1.2019 nicht mehr Steuerklasse 3, sondern Steuerklasse 1. Bei einem Bruttoeinkommen des Unterhaltspflichtigen von monatlich 2.500 EUR erhöht sich die Belastung mit Lohnsteuern, Solidarbeitrag und ggf. Kirchensteuern.
Im Unterhaltsverfahren liegen nun regelmäßig Gehaltsbescheinigungen des letzten Jahres des Zusammenlebens vor – also basierend auf Steuerklasse 3. Wird danach die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen festgelegt, so liegt diese Bewertung weit über der tatsächlichen Einkommenslage. Er müsste damit mehr an Unterhalt zahlen, als er tatsächlich schuldet.
Mit seinem Jahressteuerbescheid wird ihm allerdings eine Steuernachzahlung auferlegt, die aber erst im nächsten Kalenderjahr gezahlt werden wird. Damit sinkt sein Nettoeinkommen im nächsten Jahr doppelt:
- er zahlt regelmäßig monatlich höhere Steuern nach Klasse I;
- außerdem muss er die Steuernachzahlung für das Vorjahr aufbringen.
Erst im dritten Jahr normalisiert sich sein Nettoeinkommen.
Dies soll an einem (vereinfachten) Beispiel veranschaulicht werden (auf der Basis der Steuerwerte 2019, ohne berufsbedingte Aufwendungen):
Der Ehemann bezieht sein Einkommen noch aufgrund von Steuerklasse 3, obwohl er eigentlich wegen der bereits im Vorjahr erfolgten Trennung der Eheleute nach Steuerklasse 1 veranlagt werden müsste. Auf der Basis seines tatsächlichen Nettoeinkommens ergibt sich folgende Berechnung für das Kalenderjahr 2019:
Bruttogehalt mtl. |
2.600,00 EUR |
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Steuern Klasse 3 |
– 95,00 EUR |
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Solidaritätszuschlag |
0,00 EUR |
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Krankenversicherung |
– 198,90 EUR |
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Rentenversicherung |
– 241,80 EUR |
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Arbeitslosenversicherung |
– 32,50 EUR |
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Pflegeversicherung |
– 46,15 EUR |
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Nettoeinkommen |
1.985,65 EUR |
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Unterhalt Ehefrau (3/7 des Nettoeinkommens) |
850,99 EUR |
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Hätte er seine Steuerklasse korrekt in Steuerklasse 1 geändert oder wäre fiktiv gerechnet worden, wäre folgender Unterhalt zu zahlen gewesen:
Bruttogehalt mtl. |
2.600,00 EUR |
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Steuern Klasse 1 |
– 323,00 EUR |
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Solidaritätszuschlag |
– 17,76 EUR |
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Krankenversicherung |
– 198,90 EUR |
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Rentenversicherung |
– 241,80 EUR |
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Arbeitslosenversicherung |
– 32,50 EUR |
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Pflegeversicherung |
– 46,15 EUR |
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Nettoeinkommen |
1.739,89 EUR |
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Unterhalt Ehefrau (3/7 des Nettoeinkommens) |
745,67 EUR |
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Der Ehemann hat also wegen der falschen Steuerklasse monatlich 105,33 EUR zu viel Unterhalt gezahlt. Dies addiert sich im ganzen Jahr auf 1.263,91 EUR auf. Die Zuvielzahlung für dieses Kalenderjahr 2019 wird er nicht mehr zurückerhalten können.
Für das nächste Kalenderjahr 2020 ist von Steuerklasse 1 auszugehen. Danach ergäbe sich an sich die oben errechneten Unterhaltsverpflichtung von 745,67 EUR.
Ist aber für das vorangegangene Kalenderjahr nicht die richtige Steuerklasse 1 zugrunde gelegt worden, sondern Steuerklasse 3, ergibt sich eine Nachzahlungsverpflichtung, die in diesem Kalenderjahr anfällt.
Die nachträgliche Jahresberechnung für das Steuerjahr 2019 ergibt (ohne Berücksichtigung weiterer Freibeträge) folgende Abrechnung:
Jahresbruttogehalt |
31.200,00 EUR |
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Steuern Klasse 1 |
5.648,00 EUR |
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Solidaritätszuschlag |
310,64 EUR |
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geschuldete Steuern insgesamt |
5.958,64 EUR |
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gezahlte Steuern insgesamt |
– 1.140,00 EUR |
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Nachforderung auf das Jahr |
4.818,64 EUR |
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umgelegt auf den Monat |
401,55 EUR |
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Das monatliche durchschnittliche Nettoeinkommen des unterhaltspflichtigen Ehemannes reduziert sich dadurch von 1.739,89 EUR um die anteilige Steuernachzahlung von 401,55 EUR auf 1.338,34 EUR. Der tatsächlich geschuldete Ehegattenunterhalt nach der 3/7-Quote errechnet sich auf 573,57 EUR. Dadurch wird aber der notwendige Selbstbehalt des Ehemanns unterschritten, denn ihm verbleiben lediglich 764,76 EUR monatlich. Um den Selbstbehalt von 1.200 EUR zu gewährleisten, ist der Unterhaltsanspruch weiter auf monatlich 138,34 EUR zu beschränken.
Das Berechnungsbeispiel macht deutlich, dass es auch aus Sicht der Unterhaltsberechtigten kurzsichtig ist, weiter darauf zu dringen, die – steuerrechtlich falsche – Steuerklasse 3 beizubehalten.
In diesem Kalenderjahr würde die Ehefrau also erheblich weniger Unterhalt erhalten, als ihr bei einer fiktiven Besteuerung aufgrund der tatsächlichen Einkünfte zustünde. Erst im dritten Kalenderjahr (also 2021) wird bei diesem Ansatz eine korrekte Belastung erreicht, weil keine Nachzahlungen aufgrund unrichtiger vorläufiger Besteuerung anfallen. Die bis dahin entstandenen Ungerechtigkeiten können nicht rückwirkend ausgeglichen werden. Entsprechendes gilt auch für Steuervorteile. Wenn der Unterhaltspflichtige diese Abzugsmöglichkeit erst in seiner Jahressteuererklärung geltend macht, kann sich der daraus resultie...