I. Änderung des Umsatzsteuersatzes
Zum 1.7.2020 ist der allgemeine Umsatzsteuersatz von 19 % auf 16 % herabgesetzt worden. Dies hat auch Auswirkung auf die anwaltliche Vergütung, da die Tätigkeit des Anwalts dem allgemeinen Steuersatz des § 12 Abs. 1 UStG unterliegt und der Anwalt die von ihm abzuführende Umsatzsteuer nach Nr. 7008 VV RVG dem Mandanten als Auslagen in Rechnung zu stellen hat. Er muss daher wissen, welche Mandate schon mit 16 % und welche Mandate noch mit 19 % abzurechnen sind.
II. Maßgebender Zeitpunkt
Maßgebender Zeitpunkt für die Höhe des Umsatzsteuersatzes ist der Tag, an dem der Anwalt seine Leistung erbringt, bzw. das Ende des Leistungszeitraums, in dem die Leistung ausgeführt worden ist. Das wiederum ist der Tag, an dem der Auftrag erledigt oder die Angelegenheit beendet worden ist. Damit fällt das Ende des Leistungszeitraums mit dem Tag der gesetzlichen Fälligkeit der anwaltlichen Vergütung nach § 8 Abs. 1 S. 1 RVG zusammen. Es kommt nicht darauf an, wann eine bestimmte Gebühr entstanden ist. Erst recht kommt es nicht darauf an, wann der Anwalt die Rechnung schreibt oder wann der Mandant sie bezahlt.
Beispiel:
Im April 2020 hat der Anwalt auftragsgemäß eine Klage eingereicht. Termin zur mündlichen Verhandlung war im Juni 2020. Das Urteil ergeht im Juli 2020.
- Die Verfahrensgebühr ist im April 2020 mit Klageeinreichung entstanden, also zu einem Zeitpunkt, zu dem noch die 19 %-ige Umsatzsteuer galt.
- Auch zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung galt noch der Umsatzsteuersatz von 19 %.
- Bei Erlass des Urteils galt jedoch bereits der ermäßigte Steuersatz von 16 %.
Für die Berechnung der Umsatzsteuer ist allein die Beendigung der Angelegenheit ausschlaggebend, also der Tag, an dem das Urteil erlassen worden ist, und damit der Tag der Fälligkeit nach § 8 Abs. 1 S. 1 RVG. Es gilt also einheitlich der Umsatzsteuersatz von 16 %. Der Zeitpunkt des Entstehens der jeweiligen Gebühren ist ebenso irrelevant wie das spätere Datum der Rechnung oder der Bezahlung.
Unerheblich ist, ob nach Eintritt der Fälligkeit noch Abwicklungstätigkeiten zu erbringen sind, wie etwa eine Streitwertfestsetzung, die Kostenfestsetzung oder eine Urteilsberichtigung. Solche Abwicklungstätigkeiten haben keinen Einfluss auf die Fälligkeit der Vergütung nach § 8 Abs. 1 S. 1 RVG und damit auch nicht auf den Leistungszeitraum.
Beispiel:
Im Juni 2020 hat das LG sein Urteil erlassen. Im Juli wird die Kostenfestsetzung durchgeführt.
Der Auftrag ist im Juni 2020 erledigt worden, sodass die Vergütung des Anwalts mit 19 % zu versteuern ist. Die Abwicklungstätigkeit im Juli ist für die Fälligkeit und die Höhe des Steuersatzes irrelevant.
Die Vertragsparteien können zwar abweichende Fälligkeiten vereinbaren; solche abweichende Fälligkeitsvereinbarungen lassen jedoch den umsatzsteuerlichen Leistungszeitraum unberührt. Es unterliegt gerade nicht der Disposition der Vertragsparteien, durch abweichende Fälligkeitsvereinbarungen die Höhe des Umsatzsteuersatzes zu bestimmen. Etwas anderes kann lediglich bei vereinbarten Vergütungen in Betracht kommen (s.u. IX).
III. Teilleistungen
Soweit sich die anwaltliche Tätigkeit in Teilleistungen i.S.d. § 13 Abs. 1 Nr. 1a S. 2 UStG aufteilen lässt, kommt es auf die Fälligkeit der Vergütung der jeweiligen Teilleistung an. Ob man bei gesetzlicher Abrechnung überhaupt von abgrenzbaren Teilleistungen ausgehen kann oder ob es sich nicht vielmehr immer um selbstständige Leistungen handelt, kann letztlich dahinstehen.
Beispiel:
Im April 2020 hat der Antragsteller ein Mahnverfahren eingeleitet. Der Antragsgegner hat im Mai 2020 Widerspruch eingelegt, sodass die Sache in das streitige Verfahren übergeleitet wird. Dort ergeht im September 2020 das Urteil.
Mahnverfahren und streitiges Verfahren sind zwei verschiedene Angelegenheiten (§ 17 Nr. 2 RVG). Die Vergütung für das Mahnverfahren ist nach § 8 Abs. 1 S. 1 RVG mit Erhebung des Widerspruchs im Mai 2020 fällig geworden. Die Vergütung für das streitige Verfahren ist dagegen erst im September 2020 fällig geworden.
Man kann jetzt darüber streiten, ob das gesamte Verfahren eine einzige Leistung i.S.d. UStG ist oder ob es sich um zwei Leistungen (Mahnverfahren und streitiges Verfahren) handelt. Wenn man von einer einheitlichen Leistung ausgeht, dann würde es sich beim Mahnverfahren und beim streitigen Verfahren jedenfalls um Teilleistungen i.S.d. § 13 Abs. 1 Nr. 1a S. 2 UStG handeln, da jeweils eine abgrenzbare gesondert zu vergütende Tätigkeit vorliegt. In beiden Fällen ist für das Mahnverfahren jedenfalls noch der Umsatzsteuersatz von 19 % anzuwenden und für das streitige Verfahren bereits der Umsatzsteuersatz von 16 %.
IV. Vorschuss und Schlussrechnung
Hat der Anwalt vor dem 1.7.2020 einen Vorschuss mit 19 % vereinnahmt, so kann es vorkommen, dass die Erledigung des Auftrags oder die Beendigung der Angelegenheit und damit das Ende des Leistungszeitraums in das zweite Halbjahr 2020 fällt. Dann ist auf die gesamte Vergütung insgesamt nur 16 % Umsatzsteuer zu erheben. Der Mandant ist so zu stellen, als sei nur die Schlussrechnung mit 16 % Umsatzsteuer erstellt worden. Faktisch bekommt der ...