Der sozialrechtliche Antrag ist eine einseitige, empfangsbedürftige öffentlich-rechtliche Willenserklärung, auf die – mangels – hierfür bestehender Regelungen im SGB – die Vorschriften des BGB entsprechend anwendbar sind.
Gemäß § 130 Abs. 1 S. 1 BGB wird eine Willenserklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben ist, dann, wenn sie in dessen Abwesenheit abgegeben wird, erst in dem Zeitpunkt des Zugangs wirksam. Dies ist dann der Fall, wenn die Willenserklärung derart in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, dass dieser unter normalen Verhältnissen – bei einem der Lebenserfahrung entsprechenden Verlauf der Dinge – von ihrem Inhalt Kenntnis nehmen kann. Dies gilt nach § 130 Abs. 3 BGB auch für sog. amtsempfangsbedürftige Willenserklärungen, die gegenüber einer Behörde abzugeben sind. Gehen diese Erklärungen außerhalb der Dienstzeit bei der Behörde ein, so ist von einem Zugang erst am nächsten Tag der Dienstbereitschaft auszugehen.
Der in den vorgenannten Vorschriften enthaltene Grundsatz ist jedoch im Sozialrecht nur dann entsprechend anwendbar, soweit dies der Eigenart des Sozialrechts gerecht wird, so das BSG in ständiger Rechtsprechung (s. etwa BSG, Urt. v. 11.7.2019 – B 14 AS 51/18 R, Rn 19 m.w.N., hierzu Sartorius/Winkler ZAP F. 18, S. 1740 f.). Die vorstehende Entscheidung ist zum Antrag nach § 37 Abs. 1 SGB II ergangen. Das Gericht hat die zivilrechtlichen Grundsätze zum Zugang einer amtsempfangsbedürftigen Willenserklärung insoweit bereichsspezifisch modifiziert, als es für den Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für ausreichend angesehen hat, dass der entsprechende Antrag überhaupt in den Macht- oder Willensbereich des Jobcenters gelangt ist. Hierfür stellt es insb. in Rn 25 der Entscheidungsgründe auf die verfahrensrechtliche Bedeutung des Antrags ab, weil hierdurch gem. § 18 S. 2 Nr. 1 SGB X das Verwaltungsverfahren (zwingend) in Gang gesetzt wird. Ab diesem Zeitpunkt hat der Leistungsträger die Verpflichtung, das Bestehen des Anspruchs zu prüfen und zu bescheiden. Aus dieser Verpflichtung lasse sich aber nicht ableiten, ein Antrag könne erst wirksam werden, wenn die Behörde dienstbereit ist.
Die vorstehenden Überlegungen können auf den Gleichstellungsantrag übertragen werden. Spellbrink (KassKomm, § 16 SGB I Rn 10) führt aus, die Grundsätze der BSG-Entscheidung gelten allgemein für alle Bücher des SGB und nicht spezifisch nur für das SGB II.