Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die von dem Lebensalter typischen Zustand abweichende körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können, § 2 Abs. 1 S. 1, 2. Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als Grad der Behinderung (GdB) nach Zehnergraden abgestuft auf Antrag nach § 152 Abs. 1 durch die zuständigen Behörden (i.d.R. die Versorgungsämter, soweit Landesrecht nicht eine abweichende Regelung trifft, s. Dau, LPK-SGB IX, 5. Aufl. § 152 Rn 8 m.w.N.) festgestellt. Eine Feststellung ist nur zu treffen, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt, § 152 Abs. 1 S. 5 u 6.
Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt, § 152 Abs. 3 S. 1.
Menschen sind i.S.d. Teil 3 des SGB IX (§§ 151 ff) schwerbehindert, wenn bei ihnen ein GdB von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz i.S.d. § 156 rechtmäßig im Geltungsbereich des SGB IX haben, § 2 Abs. 2. Als schwerbehinderte Menschen anerkannt werden können auch lediglich geduldete Ausländer, deren Aufenthalt in Deutschland voraussichtlich noch länger als sechs Monate andauern wird (BSG, Urt. v. 29.4.2010 – B 9 SB 2/09 R), ebenso Deutsche oder Ausländer mit Wohnsitz im Ausland – trotz des Territorialitätsprinzips nach § 30 Abs. 1 SGB I –, wenn aus der begehrten Feststellung in Deutschland konkrete Vergünstigungen erwachsen können, die keinen Inlandswohnsitz voraussetzen (BSG, Urt. v. 5.7.2007 – B 9/9a 2/06 R und 2/07 R). Die Feststellung für diesen Personenkreis geschieht ebenso auf Antrag gem. § 152 Abs. 1.
Auf Antrag des schwerbehinderten Menschen stellen die Behörden aufgrund der Feststellung der Behinderung nach § 152 Abs. 5 einen Ausweis (öffentliche Urkunde i.S.d. § 417 ZPO) über die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch, den Grad der Behinderung sowie ggf. über weitere gesundheitliche Merkmale nach Abs. 4 aus. Einzelheiten des Schwerbehindertenausweises und der Merkzeichen regelt die SchwerbehindertenausweisVO.
Schwerbehinderte Menschen erfahren im Arbeitsleben gegenüber nicht von Behinderung Betroffenen zahlreiche rechtliche Vergünstigungen. Hierzu gehören u.a. die Förderung und Sicherung der Beschäftigung und die Durchsetzung des Benachteiligungsverbots (§ 164, hierzu ausführlich Geisinger ZAP F. 18, S. 1707 ff.), die Freistellung von Mehrarbeit auf Verlangen (§ 207), der Anspruch auf Zusatzurlaub (§ 208) und der Kündigungsschutz nach § 168, hierzu sogleich. Arbeitgebern obliegen ferner gegenüber schwerbehinderten Menschen (allerdings nicht nur gegenüber diesen) Präventionspflichten nach § 167.
Schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden sollen Menschen mit Behinderungen mit einem GdB von weniger als 50, aber mindestens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 vorliegen, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz i.S.d. § 156
- nicht erlangen oder
- nicht behalten können, § 2 Abs. 3.
Für diesen Personenkreis gelten nach § 151 Abs. 3 die besonderen Regelungen für schwerbehinderte Menschen mit Ausnahme des Anspruchs auf Zusatzurlaub (§ 208) und der Bestimmungen über unentgeltliche Beförderung im öffentlichen Personennahverkehr nach § 228 ff. Die Gleichstellung erfolgt aufgrund einer Feststellung nach § 152 auf Antrag des behinderten Menschen durch die Bundesagentur für Arbeit (BA) und wird mit dem Tag des Eingangs des Antrags wirksam, § 151 Abs. 2 S. 1.
Hinweise:
- Die Entscheidung zur Gleichstellung ergeht nach § 151 Abs. 2 S. 1 durch rechtsbegründenden Verwaltungsakt der BA und wirkt konstitutiv (s. etwa bereits BAG, Urt. v. 31.7.2014 – 2 AZR 434/13, NZA 2015, 358 Rn 48 und Greiner in: Neumann/Pahlen/Greiner/Winkler/Jabben, SGB IX, 14. Aufl., § 151 Rn 20). Demgegenüber gilt bei den kraft Gesetzes nach § 2 Abs. 2 SGB IX geschützten schwerbehinderten Menschen, dass die Eigenschaft bei Vorliegen der Voraussetzungen kraft Gesetzes gegeben ist und die behördliche Feststellung nach § 152 Abs. 5 nur ein Mittel des Nachweises ist (s. etwa BAG, Urt. v. 9.6.2011 – 2 AZR 703/09 und Jabben in: Neumann/Pahlen/Greiner/Winkler/Jabben, SGB IX, 14. Aufl., § 2 SGB IX Rn 24). Rechtliche Bedeutung hat dies insoweit, als die zuletzt genannte Feststellung nach Maßgabe des § 152 Abs. 1 S. 2 auch rückwirkend (d.h. für die Zeit vor Antragstellung) erfolgen kann, während für die Gleichstellung zwingend § 151 Abs. 2 S. 1 gilt. Allerdings ist der aufgezeigte Unterschied ohne Bedeutung für das Eingreifen des Kündigungsschutzes (s. hierzu II.), da dieser die Feststellung nach § 152 Abs. 1 dann zwingend voraussetzt, soweit die Schwerbe...