Die Unterhaltspflicht der Eltern eines Kindes endet nicht automatisch mit dem Eintritt dessen Volljährigkeit, sondern erst, wenn das Kind eine eigenständige Lebensstellung erlangt hat und damit in der Lage ist, wirtschaftlich „auf eigenen Beinen” zu stehen. Erst dann greift der Grundsatz der wirtschaftlichen Eigenverantwortung des Kindes und die elterliche Unterhaltsverpflichtung hat ein Ende.
Zum Lebensbedarf des Kindes gehören gem. § 1610 Abs. 2 BGB auch die Kosten einer angemessenen Vorbildung zu einem Beruf und die Kosten der Erziehung. Jedes Kind hat also einen Anspruch auf Finanzierung einer seinen Fähigkeiten entsprechenden schulischen und beruflichen Ausbildung. In der Praxis ist daher der Normalfall eines Unterhaltsanspruchs eines volljährigen Kindes der Ausbildungsunterhalt (zu Sonderfällen s.u.).
Hat das Kind nach Abschluss seiner Ausbildung eine eigene Lebensstellung erreicht, kann es keinen Unterhalt mehr von den Eltern verlangen. Haben Eltern bereits eine angemessene Ausbildung finanziert, sind sie grds. nicht verpflichtet, eine weitere Berufsausbildung zu zahlen, wenn das Kind nach Abschluss der Ausbildung keine Arbeitsstelle findet (OLG Hamm, Beschl. v. 15.5.2018 – 7 UF 18/18, FUR 2018, 470).
In der Praxis sind für die Bewertung des vom Kind geltend gemachten Unterhaltsanspruchs folgende Fragen von Bedeutung:
- Ist eine fortbestehende Unterhaltsbedürftigkeit des anspruchstellenden Kindes gegeben?
- Wird eine begabungsbezogene, angemessene Erstausbildung angestrebt oder liegt eine Zweitausbildung vor, deren Finanzierung von den Eltern nicht mehr geschuldet wird?
- Genügt das Kind seinen unterhaltsrechtlichen Obliegenheiten?
- Wie hoch ist der unterhaltsrechtliche Bedarf des Kindes?
- Wie errechnet sich die Haftung beider Elternteile?
Bei der Unterhaltsverpflichtung zur Finanzierung einer Ausbildung muss aber auch die Zumutbarkeit der Belastung für den unterhaltspflichtigen Elternteil im Rahmen seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit mitberücksichtigt werden. Denn der Anspruch des Kindes auf eine optimale – seinen Fähigkeiten angemessene – Ausbildung zu finanzieren findet eine objektive Grenze in der konkreten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit seiner Eltern (OLG Bremen FamRZ 2022, 526).
Dabei sind im Rahmen dieser Zumutbarkeitsbewertung auch die schutzwürdigen Interessen anderer Familienmitglieder – also v.a. auch der Geschwister – von Bedeutung.