In seltenen Fällen macht ein volljähriges Kind, das keine Ausbildung absolviert, Unterhalt geltend.
1. Erkrankung oder Behinderung mit Erwerbsminderung
Dies kann bei Erkrankung oder Behinderung mit Erwerbsminderung in Betracht kommen, sofern das Kind nicht „vom sozialen Netz” durch Krankengeld, Erwerbsunfähigkeitsrente usw. aufgefangen wird (BGH, Urt. v. 18.1.2012 – XII ZR 15/10, FamRZ 2012, 530 und Urt. v. 18.7.2012 – XII ZR 91/10, FamRZ 2012, 1553 m. Anm. Hauß FamRZ 2012, 1628, OLG Koblenz, Beschl. v. 21.10.2014 – 11 UF 337/14, FamRZ 2015, 1811).
Hinweise:
- Für die Darlegung einer gesundheitsbedingten Einschränkung der Erwerbsfähigkeit des Kindes genügt die Berufung auf den Bezug von Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII.
- Jedoch muss der Unterhaltsberechtigte darlegen und beweisen, weshalb er nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit bis zu drei Stunden täglich in der Lage ist (OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 2.10.2019 – 4 UF 209/18, FamRZ 2020, 580 m.w.N.).
- Zu beachten ist aber, dass ein erwerbsunfähiges Kind verpflichtet ist, einen Antrag auf Grundsicherung zu stellen.
- Ein Verstoß gegen diese Obliegenheit führt zur Anrechnung fiktiver, bedarfsdeckender Einkünfte aus der Grundsicherung (OLG Hamm, Urt. v. 10.9.2015 – 4 UF 13/15, FuR 2016, 180).
- Bei einem unterlassenen Hinweis an den Unterhaltspflichtigen auf mögliche Grundsicherungsansprüche des Unterhaltsberechtigten besteht das Risiko der Anwaltshaftung des Verfahrensbevollmächtigten des Unterhaltspflichtigen (OLG Düsseldorf, Urt. v. 31.1.2012 – I-24 U 39/11, FF 2012, 449).
- Daraus ergibt sich aber auch die Pflicht des Anwalts des Unterhaltsberechtigten Kindes, dieses auf ggf. bestehende Grundsicherungsansprüche hinzuweisen, die ggf. als bedarfsdeckend anzurechnen sind.
2. Strenge Anforderungen bei einem nicht in der Ausbildung befindlichen volljährigen Kind
Bei einem nicht in der Ausbildung befindlichen volljährigen Kind ist eine Erwerbsobliegenheit anzunehmen, wobei ähnliche strenge Maßstäbe wie für die Haftung der Eltern gegenüber minderjährigen Kindern gelten (OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 2.10.2019 – 4 UF 209/18, FamRZ 2020, 580 m.w.N.). Das Kind muss, wenn es gesundheitlich dazu in der Lage ist, jede Arbeitsmöglichkeit ausnutzen.
Hinweise:
- Erfüllt der Volljährige seine Erwerbsobliegenheit nicht, entfällt seine Bedürftigkeit i.H.d. für diese Erwerbstätigkeit erzielbaren fiktiven Erwerbseinkommens.
- Daher muss das volljährige Kind in diesen Fällen substantiiert darlegen und beweisen, dass es sich im Rahmen seiner Fähigkeiten hinreichend und intensiv um eine Arbeitsstelle bemüht hat oder dass es auch im Falle entsprechender Bemühungen keine realistische Beschäftigungschance hätte.