Der Europäische Gerichtshof hat grds. keine Einwände dagegen, dass nach deutschem Recht die deutsche Staatsangehörigkeit verloren geht, wenn Eingebürgerte später wieder ihre frühere Staatsangehörigkeit annehmen. Eine Einschränkung macht das EU-Gericht allerdings: die Folgen müssen für die Betroffenen auch verhältnismäßig sein (EuGH, Urt. v. 25.4.2024 – C-684/22 u.a.).
Der Fall: Mehrere ehemalige deutsche Staatsangehörige fechten derzeit gerichtlich den Verlust ihrer im Jahr 1999 durch Einbürgerung erworbenen deutschen Staatsangehörigkeit an. Um Deutsche zu werden, mussten sie seinerzeit auf ihre türkische Staatsangehörigkeit verzichten. Nach ihrer Einbürgerung in Deutschland erlangten sie auf eigenen Antrag auch wieder die türkische Staatsangehörigkeit. Aufgrund einer Änderung der deutschen Rechtsvorschriften, die Anfang 2000 in Kraft trat, zog diese Wiedererlangung der türkischen Staatsangehörigkeit den automatischen Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit nach sich. Das deutsche Gericht hatte allerdings Zweifel an der Vereinbarkeit dieses automatischen Verlusts der deutschen Staatsangehörigkeit mit dem EU-Recht und rief deshalb den EuGH zur Klärung an. Da nämlich die betroffenen Personen nicht auch die Staatsangehörigkeit eines weiteren Mitgliedstaats besitzen, führt der Verlust der deutschen Staatsbürgerschaft bei ihnen letztlich auch zum Verlust der Unionsbürgerschaft; damit verlören sie auch das Recht, sich in der EU frei zu bewegen und aufzuhalten.
Der EuGH stellte zunächst klar, dass das Unionsrecht einer nationalen Regelung grds. nicht entgegensteht, die bestimmt, dass eine Person, die freiwillig die Staatsangehörigkeit eines Drittstaats erwirbt, automatisch die Staatsangehörigkeit des betreffenden Mitgliedstaats und folglich auch die Unionsbürgerschaft verliert. Es sei nämlich durchaus legitim, dass ein Mitgliedstaat das zwischen ihm und seinen Staatsbürgern bestehende Verhältnis besonderer Verbundenheit und Loyalität sowie die Gegenseitigkeit der Rechte und Pflichten, die dem Staatsangehörigkeitsband zugrunde lägen, schützen wolle.
Allerdings könne es sein, dass der damit verbundene Verlust auch des Unionsbürgerstatus für die Betroffenen im Einzelfall unverhältnismäßige Folgen habe. Treffe dies zu, müssten die Betroffenen die Möglichkeit haben, ihre Staatsangehörigkeit und damit auch die Unionsbürgerschaft beibehalten zu können oder ggf. wiederzuerlangen. Dies werden die deutschen Gerichte nun zu prüfen haben. Die Auswirkungen der EuGH-Entscheidung auf künftige Einbürgerungsfälle dürften allerdings begrenzt sein: Bereits im Juni trat in Deutschland eine Neuregelung in Kraft, die generell eine Mehrstaatigkeit erlaubt (vgl. ZAP 2024, 554 f.).
[Quelle: EuGH]