Es bleibt festzuhalten, dass die betriebsbedingte Kündigung ein anspruchsvolles Instrument in einem komplexen Rechtsumfeld ist. Die Anforderungen an eine wirksame und sozial gerechtfertigte betriebsbedingte Kündigung sind hoch. Sie und ihr Rechtsumfeld bieten eine Vielzahl arbeitsrechtlicher Stolpersteine.
Entsprechend verwundert es nicht, dass in der Praxis ca. 4/5 der Kündigungsrechtsstreite durch Abfindungsvergleich erledigt werden (Kania, NZS 2020, 878 f. geht sogar von einer Quote von 90 % aus). Dabei sind Abfindungen teuer und schmälern die Investitionskraft der Unternehmen in zukunftsfähige Produkte und Dienstleistungen sowie allgemein in notwendige Transformation.
Ob Aussagen, wie die der Pressesprecherin von Tesla zum angekündigten Stellenabbau 2024 – „Wir sind davon überzeugt, dass nur eine effiziente und schlanke Organisation für zukünftige Herausforderungen gut aufgestellt ist. Unsere Erfahrung zeigt, dass dieses Vorgehen maßgeblich zu unserem Erfolg beiträgt.” – zutreffen, mag mit Blick auf unternehmerische Fehlplanungen und durch den Personalabbau entstehende Kosten kritisch hinterfragt werden. Jedenfalls gerät bei dieser Betrachtung aus dem Blick, dass die Belegschaft und ihre Qualifikation ein zentraler Wertschöpfungsfaktor eines jeden Unternehmens sind. Aus Sicht des arbeitsrechtlichen Praktikers sind deshalb innovative Lösungsansätze gefragt, die neben das Instrument der betriebsbedingten Kündigung treten.
Insbesondere ist zu bedenken, wie Arbeitsplätze durch Digitalisierung, KI und Automatisierung umgestaltet werden bzw. sich verändern. Gleichfalls ist zu klären, welche geänderten Anforderungen sich hierdurch an die Belegschaft und ihre Qualifikation ergeben. Allgemein kann man formulieren, dass die „neue Arbeitswelt” in vielen zukunftsfähigen Bereichen hohe Veränderungsbereitschaft, mentale Agilität, starke IT- und Daten- sowie Teamkompetenz und maschinelle Interaktion, insb. mit generativer KI, voraussetzt.
Daraus ergibt sich mit Blick auf weltweite Konkurrenz und dem in vielen Bereichen zu verzeichnenden Arbeitskräftemangel die Anschlussfrage, wie man die Belegschaft bestmöglich im technologischen Wandel qualifiziert und fortbildet. Die Ressource Mensch ist im Rahmen einer aktiven Personalplanung wertschätzend zu behandeln. Das heißt u.a. schon im Vorfeld einer Restrukturierung können Unternehmen durch strukturierte Personalplanung, vorausschauende Personalentwicklungskonzepte und entsprechende Qualifizierungsmaßnahmen viel bewegen (vgl. Heimann/Ryßok-Lösch, a.a.O.).
Vernünftig verstandene und ausgeübte Mitbestimmung und Tarifpolitik ergänzen diesen Ansatz und schaffen das nötige rechtliche Umfeld, bei dem die betriebsbedingte Kündigung, zuvörderst die Beendigungskündigung, tatsächlich nur das letzte arbeitsrechtliche Mittel i.S.d. Ultima-ratio-Prinzips ist.
Diese Sichtweise steht ebenfalls im Einklang mit den Zielen der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD). Die CSRD fordert Führungskräfte auf, Nachhaltigkeitsthemen und somit auch die Personalplanung aus strategischer Sicht zu betrachten und sie entsprechend nachhaltig zu managen. Vollziehen Unternehmen diesen Perspektivwechsel, sind sie in einer guten Position, Beschäftigung beständig zu sichern und dabei den Wert des Unternehmens dauerhaft zu erhöhen.
ZAP F., S. 673–686
Von Rechtsanwalt Dr. Joachim Holthausen, Köln