Strategische Weiterentwicklung statt kurzfristiger Stellenumbau
65 Prozent der Unternehmerinnen und Unternehmer in Deutschland gehen davon aus, dass dem Personal in den nächsten drei Jahren eine zunehmende Bedeutung für den Geschäftserfolg zukommt. Der naheliegende Aspekt sind Personalengpässe, die sich bereits heute in mehr als der Hälfte der Unternehmen abzeichnen – zum Beispiel aufgrund des demografischen Wandels und der steigenden Nachfrage nach Experten für Digitalisierung und Künstliche Intelligenz (KI).
Für die Studie des Handelsblatt Research Institute im Auftrag der Beratungsgesellschaft von Rundstedt wurden Entscheiderinnen und Entscheider von großen Mittelständlern und Konzernen befragt sowie Expertinnen und Experten aus Kanzleien für Arbeitsrecht und Unternehmensberatungen.
Das Personal weiterentwickeln, analog zum Geschäftsmodell
Digitalisierung und KI, Dekarbonisierung und der demografische Wandel erfordern laut Studie eine nachhaltige Transformation des Personals, die über einen kurzfristigen Stellenumbau hinausgeht. Es gelte, neue Herangehensweisen zu entwickeln um die Geschäftsrisiken aus Personalunterdeckung und steigenden Personalkosten zu bewältigen.
Doch obwohl sich die Mehrheit der Unternehmen der Bedeutung des Faktors Personal bewusst ist, bleibt die Konsequenz häufig aus: Fast die Hälfte (46 Prozent) der befragten Entscheiderinnen und Entscheider gibt an, dass in ihrem Unternehmen der Fokus auf der Weiterentwicklung des Geschäftsmodells liege. Die Weiterentwicklung des Personals sei allenfalls nachgelagert. Lediglich 26 Prozent der Befragten treiben die Weiterentwicklung des Geschäftsmodells und des Personals im Abgleich miteinander voran.
Auswirkungen von Personalengpässen
Trotz der aktuell schwierigen Wirtschaftslage berichten die meisten Befragten von Personalengpässen. Nur drei Prozent der Studienteilnehmenden geben an, dass ihr Unternehmen nicht mit einem Personalengpass konfrontiert ist. Zu den Auswirkungen, die in den Unternehmen sichtbar sind, gehört an erster Stelle ein steigender Aufwand beim Recruiting (52 Prozent), gefolgt von zunehmenden Verzögerungen bei der Auftragsbearbeitung (44 Prozent), unbesetzten Stellen (40 Prozent), längeren Vakanzzeiten bei offenen Stellen (39 Prozent) und steigenden Personalkosten (36 Prozent).
Personalengpässe langfristig vorwegnehmen
Entscheidend für die künftige Wettbewerbsfähigkeit ist die Art und Weise, wie Unternehmen auf chronische Personalengpässe reagieren. Ein Kernaspekt der Workforce Transformation ist daher eine Abkehr vom situativen Handeln hin zu einer strategischen Planung des Faktors Personal. Es gilt, Personalengpässe längerfristig zu antizipieren und zu wettbewerbsfähigen Kosten auszusteuern und zugleich eine Personalüberdeckung zu vermeiden.
Das Konzept der Workforce Transformation ist 81 Prozent der befragten Unternehmerinnen und Unternehmern bekannt und kommt nach ihrer Aussage in fast drei Viertel der Firmen zum Einsatz. Von den restlichen Unternehmen geben fast alle an, das Konzept in den kommenden zwei Jahren umsetzen zu können. Die Praxis scheint jedoch etwas anders zu sein: Für die Studie wurden auch Expertinnen und Experten aus Arbeitsrechtskanzleien und Unternehmensberatungen befragt. Diese sehen beim Großteil ihrer Mandanten noch keine Workforce Transformation im Einsatz.
Instrumente für die Workforce Transformation
Ein Blick in die Details zeigt ebenfalls, dass die meisten Unternehmen noch nicht die Bandbreite der verfügbaren HR-Instrumente nutzen. Ein erster Schritt, um den gewünschten Soll-Zustand zu erreichen, ist eine Bestandsaufnahme der aktuellen Belegschaft. Eine besondere Bedeutung hat dabei die Analyse und Bewertung der aktuell vorhandenen Qualifikationen. Diese wird von 52 Prozent der Studienteilnehmer durchgeführt. Eine strategische Personalplanung führen nach eigenen Angaben 49 Prozent durch. Betriebliche Weiterbildungen für neue und veränderte Jobprofile bieten 48 Prozent an. Eine Kompetenz-Bewertung der heutigen Beschäftigten für alternative Arbeitsplätze im Unternehmen gibt es bei 46 Prozent der Befragten. Und 44 Prozent führen Recherchen zum regionalen Arbeitsmarkt durch.
Die Belegschaften gelten als zukunftsfähig
Mit Blick auf die eigene Belegschaft geben die befragten Unternehmensentscheiderinnen und -entscheider ein positives Urteil ab: 63 Prozent sehen die Zukunftsfähigkeit ihrer Beschäftigten als "gut" an, weitere 35 Prozent schätzen sie zumindest als "eher gut" ein.
Die Einschätzungen der befragten Expertinnen und Experten aus Kanzleien und Beratungen fallen auch bei dieser Frage etwas zurückhaltender aus. Von ihnen sagen nur 80 Prozent, dass die Zukunftsfähigkeit der Belegschaft bei der Mehrheit ihrer Mandanten "eher gut" ist.
Workforce Transformation statt harter Personalabbau
Die Studienergebnisse zeigen, dass Workforce Transformation als wichtiges strategisches Instrument und als wesentlicher Faktor für das Gelingen der Business Transformation erkannt wird. Allerdings stehen viele Unternehmen noch am Anfang und müssen Erfahrungen sammeln. Vor allem der dynamische Abgleich zwischen der Weiterentwicklung des Personals und des Geschäftsmodells ist noch ausbaubedürftig. Hierfür sind neue Formen der Zusammenarbeit von Unternehmensleitung, Führungskräften, HR und Mitbestimmung nötig.
Dieser Weg ist für 90 Prozent der befragten Unternehmensentscheider alternativlos: Sie rechnen bei einem Verzicht sogar mit Folgekosten, zum Beispiel für einen harten Personalabbau, die die "eingesparten" Investitionsausgaben übersteigen.
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