Kompetenzlücken in Unternehmen: Studienüberblick

Es gibt aktuell kaum eine Studie zum Thema Weiterbildung, die sich nicht mit Künstlicher Intelligenz befasst. Sowohl Unternehmen als auch ihre Mitarbeitenden sind sich darüber bewusst, dass ihnen gigantische Umwälzungen bevorstehen – oder sind bereits mittendrin. Doch das Weiterbildungsangebot vieler Unternehmen scheint dafür noch nicht auszureichen.

Ganze 74 Prozent der Berufstätigen bewerten die Weiterbildung zu digitalen Technologien als wichtig für die berufliche Entwicklung, so das Ergebnis der Weiterbildungsstudie 2024 von der Bitkom Akademie und HR Pepper. Das ist ein Wachstum von elf Prozent im Vergleich zur Studie im Vorjahr. Für gut die Hälfte (54 Prozent) der insgesamt 1.100 Befragten spielt künstliche Intelligenz (KI) bereits jetzt eine signifikante Rolle im Arbeitsalltag und 45 Prozent sind der Meinung, dass die Bedeutung von KI in ihrem Job schnell steigen wird.

Die Workforce-Readiness-Lücke

Diese rasante Veränderung löst Sorgen aus: Laut der Studie "State of Skills 2024" des E-Learning-Anbieters Skillsoft bezweifeln 56 Prozent der befragten Arbeitnehmenden in Deutschland, dass sie die notwendigen Fähigkeiten haben, um in ihrer aktuellen Rolle erfolgreich zu sein. 41 Prozent sorgen sich aufgrund von Kompetenzlücken sogar um die Sicherheit ihres Arbeitsplatzes. Unter den 2.500 Befragten weltweit glauben 43 Prozent, dass ihre Kenntnisse in den Kompetenzfeldern künstlicher Intelligenz und Machine Learning nicht ausreichen. 31 Prozent sehen Defizite in ihren eigenen Führungsqualitäten. Gerade die Führungskompetenzen bewerteten sie allerdings als wichtigste Voraussetzung für den Erfolg am Arbeitsplatz, gefolgt von Softskills wie Kommunikation, emotionaler Intelligenz und Technologiekompetenz.

Der neue "Global State of the Skills Economy Report" von Skyhive (ein Softwareanbieter, den Cornerstone 2024 akquiriert hat) bestätigt die Einschätzungen der Befragten aus den anderen Studien und hebt die wachsende Workforce-Readiness-Lücke hervor. Dafür wurden 40 Terabyte Daten aus über 150 Ländern, darunter Stellenanzeigen, Lebensläufe und weitere Datenpunkte in elf Sprachen analysiert. Laut der Auswertung sind seit 2019 die Stellenanzeigen mit Bezug zu KI und maschinellem Lernen um 65 Prozent gestiegen, während der Bedarf an Gen-AI-Expertinnen und -Experten sogar um 411 Prozent zugenommen hat. Diese Skills werden nicht nur in der Technologiebranche gebraucht: Neben Softwareentwicklung und IT-Beratung wächst die Nachfrage zunehmend in den Bereichen Finanzdienstleistungen, Gesundheitswesen, Pharmazie und Banken. Der Report bestätigt zudem, dass Softskills noch wichtiger sind als technologische Kompetenz: In Stellenanzeigen in Europa werden Führungskompetenz, Kommunikation und emotionale Intelligenz knapp dreimal so oft erwähnt wie digitale Skills.

Weiterbildungsempfehlungen von der KI

Es besteht also ein hoher Bedarf an bestimmten Fähigkeiten und Beschäftigte sorgen sich um ihre Qualifikationslücken – wie aber steht es um die Weiterbildung in Unternehmen? Laut der Studie von Bitkom und HR Pepper fühlen sich immerhin 62 Prozent der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ausreichend über Weiterbildungsangebote ihres Arbeitgebers informiert. Dabei würde jede fünfte befragte Person bei der Wahl der passenden Weiterbildung eher der KI anstatt der Führungskraft vertrauen – die Frage ist also auch, wer sie künftig über ihre Optionen informieren soll.

Zu dieser Frage zeigen zwei Feldstudien eine Antwort auf: Danach sind KI-Empfehlungen zwar hilfreich für die Weiterbildung, aber die persönliche Empfehlung und Absprache mit der jeweiligen Führungskraft motiviert mehr. Dies hat Leonhard Grabe, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Seminar für Personalwirtschaftslehre der Universität zu Köln, in einem Artikel für "neues lernen", Ausgabe 5/2024, beschrieben. Er fasst zusammen: "Auf der Suche nach dem richtigen Use Case für KI in der Personalentwicklung lohnt es sich also, nach den Tätigkeiten zu suchen, die Führungskräfte und Mitarbeitende darin unterstützen oder sie hindern, regelmäßig ins Gespräch zu kommen."

Nachholbedarf bei den Weiterbildungsangeboten

Laut der Skillsoft-Studie gaben 95 Prozent der weltweit befragten Beschäftigten an, dass ihr Unternehmen über ein Programm zur Talententwicklung verfügt, aber nur 25 Prozent weltweit – in Deutschland immerhin 33 Prozent – halten dieses für sehr effektiv. 80 Prozent der Befragten in Deutschland sind der Meinung, dass es Lücken in der Effektivität der Talententwicklungsprogramme ihrer Organisation gibt.  Die Haupthindernisse sind laut den Studienteilnehmenden Zeitmangel (39 Prozent), die Wahl der Lernformate (29 Prozent) und mangelnde Unterstützung durch die Unternehmensführung (27 Prozent). Trotz der zunehmenden Verbreitung von GenAI-Tools fanden 54 Prozent der Befragten in Deutschland das KI-Schulungsprogramm ihrer Organisation durchschnittlich bis schlecht. Nur 22 Prozent hielten die von ihrer Organisation angebotenen Leadership-Schulungen für "ausgezeichnet", 25 Prozent sagten dies über die Schulungen zu Soft Skills.

Weiterbildung: Was Beschäftigte sich wünschen

Die Skillsoft-Studie zeigt auch: Beschäftigte wünschen ich vor allem Blended-Learning-Ansätze, um ihre Ziele beim Aufbau von Fähigkeiten besser zu erreichen: 39 Prozent der Befragten in Deutschland wünschen sich eine Kombination aus interaktiven und erfahrungsorientierten Angeboten sowie Live-Schulungen mit Dozierenden. Zudem nannten sie Gruppentraining (31 Prozent), Mentoring (30 Prozent) und Coaching (36 Prozent) als Schlüsselkomponenten eines starken Lernprogramms.

Laut der Weiterbildungsstudie von Bitkom und HR Pepper haben rund zwei Drittel (64 Prozent) der Befragten Interesse an KI-gestützten Trainingsformaten. Besonders spannend fanden sie auch Lernen mit Virtual Reality und Serious Games: 46 beziehungsweise 41 Prozent haben diese Formate noch nie verwendet, würden das aber gerne. Die Mehrheit von denjenigen, die diese Formate bereits genutzt haben, würde das wieder tun. Zudem sagten 87 Prozent der Studienteilnehmenden, es sei ihnen wichtig, dass im Arbeitsalltag Zeit für Weiterbildung bleibt. Die Lernbereitschaft der Mitarbeitenden ist also da – Unternehmen sollten ihnen demnach die Zeit einräumen, die nachgefragten Formate zur Verfügung stellen und die Angebote vor allem ausreichend kommunizieren.


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