Der in einem Arbeitsvertrag verwandte Widerrufsvorbehalt dient dazu, Entgeltbestandteile bzw. "Zusatzleistungen" unter bestimmten Voraussetzungen, etwa einer Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage oder zum Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit, zu widerrufen (vgl. Bauer/Heimann a.a.O., 114, 116 ff.; Jansen/Willemsen RdA 2010, 1; Kroeschell NZA 2008, 1393; Hümmerich NJW 2005, 1759). Der Arbeitnehmer hat einen Anspruch. Der Arbeitgeber behält sich aber vor, die versprochene Leistung einseitig zu ändern (BAG v. 14.9.2011 – 10 AZR 526/10, Rn. 24, a.a.O.).
Widerrufsvorbehalte, etwa Anrechnungsvorbehalte bei Tariferhöhungen (BAG v. 11.10.2006 – 5 AZR 721/05, NZA 2007, 87), unterliegen einer AGB-Kontrolle nach den §§ 305 ff. BGB, insbesondere nach den § 308 Nr. 4 BGB (Änderungsvorbehalt) sowie § 307 Abs. 1 und Abs. 2 BGB (unangemessene Benachteiligung). Nach Auffassung des Fünften Senats (BAG v. 11.10.2006 – 5 AZR 721/05, AP § 308 BGB Nr. 6; BAG v. 12.1.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465) ist die Vereinbarung eines Widerrufsvorbehalts zulässig, soweit der im Gegenseitigkeitsverhältnis stehende widerrufliche Anteil am Gesamtverdienst unter 25 % liegt und der Tariflohn nicht unterschritten wird (vgl. Reinfelder a.a.O., 10, 11). Handelt es sich um zusätzliche, nicht im Gegenseitigkeitsverhältnis stehende, widerrufliche Leistungen, etwa den Ersatz von grundsätzlich vom Arbeitnehmer zu tragenden Aufwendungen wie Fahrtkosten, darf der widerrufliche Anteil am Gesamtverdienst bis zu 30 % ausmachen (BAG v. 11.10.2006 – 5 AZR 721/05, NZA 2007, 87; Maschmann/Sieg/Göpfert-Maaß, Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, Kap. 600, Rn. 4 f.).
Das Recht, von der versprochenen Leistung abzuweichen, das sich der Verwender in AGB vorbehält, ist nur wirksam vereinbart, wenn der Vorbehalt nach § 308 Nr. 4 BGB unter Berücksichtigung der Interessen des Verwenders auch dem anderen Vertragsteil zumutbar ist. Die Vereinbarung eines Widerrufsrechts ist nach § 308 Nr. 4 BGB nur dann zumutbar, wenn es für den Widerruf einen sachlichen Grund gibt und dieser sachliche Grund bereits in der Änderungsklausel beschrieben ist (BAG v. 12.1.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465). Das Widerrufsrecht muss wegen der unsicheren Entwicklung der Verhältnisse als Instrument der Anpassung notwendig sein. Ohne einen sachlichen Grund für den Widerruf der Leistung überwiegt das Interesse des Arbeitnehmers an der Unveränderlichkeit der vereinbarten Leistung gegenüber dem Interesse des Arbeitgebers an der Änderung der versprochenen Hauptleistungspflicht (vgl. BAG v. 13.4.2010 – 9 AZR 113/09 "Dienstwagenüberlassung").
Hinweis:
Über der Frage nach der Wirksamkeit der AGB wird gelegentlich übersehen, dass die Ausübung arbeitsvertraglicher Rechte und somit auch die Ausübung eines Widerrufs-/Änderungsvorbehalts im Einzelfall nach billigem Ermessen gem. § 315 BGB zu erfolgen hat. Die Einhaltung der Grundsätze billigen Ermessens unterliegt dabei voller gerichtlicher Kontrolle und darlegungs- und beweisbelastet ist insoweit der Arbeitgeber als Bestimmungsberechtigter (Reinfelder a.a.O., 10, 12).
Beispiel – Widerrufsvorbehalt:
(vgl. Maschmann/Sieg/Göpfert-Maaß, Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, Kap. 600, Rn. 3)
Der Arbeitnehmer erhält zusätzlich zum Grundgehalt eine monatliche Zulage in Höhe von (...) EUR brutto. Der Arbeitgeber behält sich vor, diese Zulage mit einer Frist von einem Monat zum Monatsende aus sachlichen Gründen durch schriftliche Erklärung zu widerrufen. Ein sachlicher Grund liegt insbesondere bei einem Rückgang des Umsatzes von mehr als (...) %, einem Gewinnrückgang in Höhe von (...) % (jeweils Vergleich zum Vorjahr), einer wirtschaftlichen Notlage des Unternehmens, einer um mindestens (...) % unterdurchschnittlichen Arbeitsleistung des Arbeitnehmers in der ihn betreffenden Vergleichsgruppe über einen Zeitraum von (...) Monaten oder einer schwerwiegenden Pflichtverletzung des Arbeitnehmers, die Gegenstand einer Abmahnung bildete, vor.