I. Einleitung
1. Gesetzeszweck
Am 22.5.2014 wurde der "Aktionsplan der Bundesregierung zum Verbraucherschutz im Finanzmarkt" vorgestellt, der u.a. ein "Maßnahmenpaket zur Verbesserung des Schutzes von Kleinanlegern" umfasst. Das Maßnahmenpaket war eine Reaktion auf Entwicklungen in jüngerer Zeit (u.a. "Prokon", dazu z.B. FAZ v. 3.5.2014 Nr. 102, S. 29 und v. 23.5.2014 Nr. 119, S. 23), um den Schutz von Anlegern vor risikoreichen Finanzprodukten auf dem sog. Grauen Kapitalmarkt zu verbessern. Mit dem Kleinanlegerschutzgesetz vom 3.7.2015 (BGBl. I, S. 1114) soll das Maßnahmenpaket umgesetzt und dem Koalitionsvertag entsprochen werden (Beschlussempfehlung und Bericht des BT-Finanzausschusses, BT-Drucks. 18/4708, S. 57). Da in jüngster Zeit das Anlegervertrauen "in verschiedene öffentlich angebotene Finanzprodukte" des Grauen Kapitalmarkts "stark beeinträchtigt" worden ist und Anleger "erhebliche Vermögenseinbußen erlitten" haben, soll durch das Kleinanlegerschutzgesetz insbesondere "die Transparenz von Vermögensanlagen weiter erhöht werden, um einem Anleger vollständige und zum Anlagezeitpunkt aktuelle Informationen über die Vermögensanlage zu verschaffen" (Gesetzentwurf, BT-Drucks. 18/3994, S. 1, 28). Dadurch sollen Anleger in die Lage versetzt werden, "die Erfolgsaussichten einer Anlage einschätzen und eine informierte und risikobewuste Entscheidung treffen" zu können (Gesetzentwurf, S. 1). Das Kleinanlegerschutzgesetz soll eine Verbesserung des Anlegerschutzes auf dem Grauen Kapitalmarkt herbeiführen und dazu beitragen, "das Risiko von Vermögenseinbußen" zu mindern (Gesetzentwurf, S. 2).
2. Artikelgesetz
Das Kleinanlegerschutzgesetz, dessen Regelungsschwerpunkte nachfolgend dargestellt werden, ist ein Artikelgesetz. Es ändert folgende Gesetze und Verordnungen:
- Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz – FinDAG (Art. 1),
- VermAnlG (Art. 2),
- WpHG (Art. 3),
- Wertpapierprospektgesetz (Art. 4),
- Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (Art. 5),
- Vermögensanlagen-Verkaufsprospektverordnung (Art. 6),
- Wertpapierdienstleistungs-Verhaltens- und Organisationsverordnung (Art. 7),
- HGB (Art. 8),
- EGHGB (Art. 9),
- KAGB (Art. 10),
- GewO (Art. 11) und
- Verordnung über die Erhebung von Gebühren und die Umlegung von Kosten nach dem Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz (Art. 12).
II. BaFin-Aufgabe "kollektiver Verbraucherschutz"
1. Allgemeine Aufgabenzuweisung
Nach § 4 Abs. 1a S. 1 FinDAG ist die BaFin künftig "innerhalb ihres gesetzlichen Auftrags auch dem Schutz der kollektiven Verbraucherinteressen verpflichtet". Den Gesetzesmaterialien (Gesetzentwurf, S. 36) zufolge handelt es sich dabei um eine "gesetzliche Zielbestimmung" bzw. "allgemeine Aufgabenzuweisung". Dadurch soll klargestellt werden, dass die BaFin "auch dem kollektiven Verbraucherschutz verpflichtet ist" (Gesetzentwurf, a.a.O.). Durch die Wortwahl "kollektiv" soll verdeutlicht werden, dass sich die Verpflichtung der Aufsichtsbehörde ausschließlich auf den Schutz der Gesamtheit der Verbraucher bezieht, wobei die BaFin allein im öffentlichen Interesse tätig wird (Gesetzentwurf, S. 37). In praktischer Hinsicht von erheblicher Bedeutung ist dabei, dass – wie in den Gesetzesmaterialien (Gesetzentwurf, a.a.O.) ausdrücklich hervorgehoben wird – eine Verletzung individueller Verbraucherrechte auf diesem Weg nicht geltend gemacht werden kann, und zwar unabhängig davon, ob sich diese Rechte im Einzelfall aus öffentlichem Recht oder Zivilrecht ergeben. Damit besteht auch künftig kein individueller, auf ein Tätigwerden der BaFin gerichteter Anspruch der betroffenen Verbraucher bzw. Anleger (Gesetzentwurf, a.a.O.).
Hinweis:
Ein Eingreifen der BaFin soll nur erfolgen können, "wenn sie im Rahmen ihrer fachgesetzlich geregelten Aufsichtstätigkeit Verstöße gegen verbraucherschützende Rechtsvorschriften feststellt", nicht dagegen bei Verstößen "gegen Vorschriften, die in keinem Zusammenhang mit ihren in den Fachaufsichtsgesetzen festgelegten Kompetenzen stehen", wie dies bei "bankfremden Geschäften" i.d.R. der Fall ist (Gesetzentwurf, a.a.O.).
2. Missstandsaufsicht
Praktisch bedeutsam ist die Schaffung einer Missstandsaufsicht in Gestalt des § 4 Abs. 1a S. 2 FinDAG, der die allgemeine Aufgabenzuweisung (§ 4 Abs. 1a S. 1 FinDAG; s.o. II. 1.) konkretisieren soll (Gesetzentwurf, S. 36). Aufgrund dieser Ermächtigungsnorm kann die BaFin Anordnungen treffen, die geeignet und erforderlich sind, um verbraucherschutzrelevante Missstände zu verhindern oder zu beseitigen, wenn eine generelle Klärung im Interesse des Verbraucherschutzes geboten erscheint. Die Aufsichtsbehörde hat Maßnahmen zu ergreifen, "um einem Missstand auch im Bereich des kollektiven Verbraucherschutzes zu begegnen oder einem solchen Missstand bereits frühzeitig vorzubeugen" (Gesetzentwurf, a.a.O.).
Der – hier relevante – Missstandsbegriff ergibt sich aus der Legaldefinition des § 4 Abs. 1a S. 3 FinDAG. Danach ist ein Missstand ein erheblicher, dauerhafter oder wiederholter Verstoß gegen ein Verbraucherschutzgesetz, der nach seiner Art oder seinem Umfang die Interessen nicht nur einzelner Verbraucher gefährden kann oder beeinträchtigt. Damit ist gemeint, dass der Verstoß über einen Einzelf...