Ende Mai hat das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz den Referentenentwurf eines „Gesetzes zur Erweiterung der Medienöffentlichkeit in Gerichtsverfahren und zur Verbesserung der Kommunikationshilfen für Sprach- und Hörbehinderte“ vorgelegt. Bis zum 8.7.2016 sollte die Stellungnahme der Beteiligten erfolgen. Ein Grund für die gerade einmal vier bis fünf Wochen zugestandene Frist wird nicht angeführt. Den gibt es auch nicht, denn eine Notwendigkeit hier besonders schnell zu handeln, ist nicht ersichtlich. Seit gut drei Jahren befassen sich die Justizministerien mit den entsprechenden Überlegungen – warum es jetzt schnell gehen soll, ist nicht erkennbar und die kurze Fristsetzung ärgerlich. So haben etwa die Vorstände regionaler Rechtsanwaltskammern kaum die Chance das Gesetz zu diskutieren und eine Meinung zu formulieren.
Die Diskussion über das seit 1964 in § 169 GVG normierte Verbot, Film- und Fernsehaufnahmen aus dem Gerichtssaal herzustellen und zu verbreiten, ist wieder entflammt. Gerade Vertreter der elektronischen Medien, aber auch manche Richter plädieren für eine Öffnung. Strafverteidiger und viele andere sind eher vorsichtig, oftmals gehen ihnen die Bilder, die es heute schon gibt, zu weit (s. dazu Huff, in: Liber amicorum für Herbert Landau, 2016, S. 369 ff.).
Zum Sachstand: Nach der Rechtsprechung, insbesondere des Bundesverfassungsgerichts, muss sich in Fällen von Verfahren öffentlicher Bedeutung schon heute das Gericht, die Staatsanwaltschaft und wohl auch der Rechtsanwalt fotografieren und filmen lassen. Erst ab Beginn der eigentlichen Verhandlung dürfen keine Aufnahmen mehr angefertigt werden. Einzige Ausnahme bildet das BVerfG selbst, das auch die Liveübertragung von Urteilsverkündungen zulässt (§ 17a BVerfGG).
Wer die Berichterstattung von Gerichtsprozessen verfolgt, merkt, dass es den Medien auch heute mit Bildern vor/nach der Verhandlung, Aussagen von Pressesprechern und Stellungnamen von Anwälten und/oder Journalisten gelingt, gute und informative Beiträge zu erstellen.
Doch das Bundesjustizministerium und wohl auch die meisten Landesjustizverwaltungen sehen hier Änderungsbedarf. Der Entwurf des § 169 GVG-E sieht in Bezug auf die Medien im Gericht folgende Ergänzungen vor:
- Abs. 1: „(...) Die Tonübertragung in einen Nebenraum für Personen, die für Presse, Rundfunk, Fernsehen oder für andere Medien berichten, kann durch Anordnung des Vorsitzenden zugelassen werden. Die Entscheidung ist unanfechtbar. (...)“
- Abs. 2: „Ton- und Filmaufnahmen der Verhandlung vor dem erkennenden Gericht einschließlich der Verkündung der Urteile und Beschlüsse können zu wissenschaftlichen und historischen Zwecken durch Anordnung des Vorsitzenden zugelassen werden (...). Die Entscheidung ist unanfechtbar. (...)“
- Abs. 3: „(...) können Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen zum Zweck der öffentlichen Vorführung oder der Veröffentlichung ihres Inhalts bei der Verkündung von Entscheidungen des Bundesgerichtshofs durch Anordnung des Vorsitzenden zugelassen werden. (...) Die Entscheidung ist unanfechtbar. (...)“
Schon bisher war nach überwiegender Auffassung von Straf- und Medienrechtlern eine Übertragung von Bild und Ton in einen Nebenraum zulässig, weil es nur eine Erweiterung der Saalöffentlichkeit, aber keine Veröffentlichung bzw. Verbreitung im Sinne des Verbots des § 169 GVG ist. Warum dies jetzt nur für die Ton- und nicht für die Bildübertragung gesetzlich geregelt werden soll, erschließt sich aus der Gesetzesbegründung nicht so recht. Denn das Bild gehört zur Saalöffentlichkeit, alleine eine Verhandlung nur zu hören, ist nicht ausreichend. Zudem stellen sich viele praktische Fragen, auf die der Deutsche Richterbund in seiner Stellungnahme zu Recht hingewiesen hat. Woher das bisher schon nicht vorhandene Personal an Wachtmeistern etc. kommen soll, darauf geht das BMJV nicht ein. Im Grundsatz ist die Idee der angedachten Erweiterung des § 169 Abs. 1 GVG-E zu befürworten, wobei manchmal der Umzug in einen größeren Saal, auch außerhalb des Gerichtsgebäudes, sinnvoller wäre.
Auch die Idee des § 169 Abs. 2 GVG-E, bestimmte Verfahren zu wissenschaftlichen und historischen Zwecken aufzuzeichnen und später zugänglich zu machen, ist sinnvoll und trägt zum Rechtsbewusstsein bei bzw. hat einen wichtigen dokumentarischen Charakter.
Falsch ist m.E. jedoch die Öffnung der Verkündungen aus dem Gerichtssaal in § 169 Abs. 3 GVG-E. Dafür besteht keine Notwendigkeit. Zunächst ist es erstaunlich, dass in der Gesetzesbegründung kritische Stimmen, auch in der Literatur, nicht aufgeführt werden, sondern nur die Befürworter von Veränderungen. Dabei stellt sich eine Vielzahl von Fragen: Was genau soll übertragen werden – nur das Gesicht des Vorsitzenden selber? Oder dürfen alle Anwesenden – einschließlich des Angeklagten, Kläger/Beklagten, Sachverständigen, Zeugen, Zuschauer – gefilmt und diese Bilder live gezeigt werden? Ist es mit den Persönlichkeitsrechten des Angeklagten in Einklang zu bringen, das...