Der Gerichtshof hat wiederholt entschieden, dass Art. 14 EMRK lediglich eine Ergänzung der übrigen materiell-rechtlichen Bestimmungen der Konvention und der Protokolle dazu darstellt. Er existiert nicht für sich allein, da er nur in Bezug auf den "Genuss der Rechte und Freiheiten", die durch diese Bestimmungen geschützt sind, Wirkung entfaltet. Obgleich die Anwendung von Art. 14 EMRK eine Verletzung dieser Bestimmungen nicht voraussetzt – und er insoweit autonom ist –, kann es Raum für seine Anwendung nur geben, wenn der in Frage stehende Sachverhalt unter eine oder mehrere dieser Bestimmungen fällt. In Rechtssachen, die sich aus Individualbeschwerden ergeben, ist es nicht Aufgabe des Gerichtshofs, die innerstaatlichen Rechtsvorschriften abstrakt zu prüfen; er muss vielmehr prüfen, in welcher Weise diese Rechtsvorschriften unter den jeweiligen Umständen auf den Beschwerdeführer angewendet wurden und ob ihre Anwendung im vorliegenden Fall eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung des Beschwerdeführers zur Folge hatte. Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs ist eine unterschiedliche Behandlung i.S.v. Art. 14 EMRK diskriminierend, wenn es für sie keine sachlichen und vernünftigen Gründe gibt, d.h. wenn mit ihr kein legitimes Ziel verfolgt wird oder die eingesetzten Mittel zum angestrebten Ziel nicht in einem angemessenen Verhältnis stehen. Nur wenn sehr schwerwiegende Gründe vorgetragen werden, kann eine unterschiedliche Behandlung beispielsweise wegen des Geschlechts oder wegen nichtehelicher und ehelicher Geburt als mit der Konvention vereinbar angesehen werden. Dasselbe gilt etwa für eine unterschiedliche Behandlung des Vaters eines aus einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft hervorgegangenen Kindes gegenüber dem Vater eines Kindes, das in einer durch Ehe begründeten Beziehung geboren wurde (EGMR, Urt. v. 3.12.2009 – 22028/04 – Verstoß gegen Art. 14 i.V.m. Art. 8 EMRK).

 

Sfountouris u.a. gegen Deutschland

Hier ging es um die Weigerung deutscher Gerichte, den Nachkommen von Opfern eines SS-Massakers 1944 in Griechenland Entschädigung zuzusprechen. Die Beschwerdeführer beriefen sich auf Art. 1 EMRK Protokoll Nr. 1 (Schutz des Eigentums) und Art. 14 EMRK (Diskriminierungsverbot). Der Gerichtshof erklärte die Beschwerde für unzulässig und unterstrich, dass die Beschwerdeführer keine berechtigte Erwartung haben konnten, eine Entschädigung für den erlittenen Schaden zu erhalten (EGMR, Urt. v. 31.5.2011 – 24120/06, EuGRZ 2011, 477).

 

Sahin gegen Deutschland & Sommerfeld gegen Deutschland

Weigerung deutscher Gerichte, zwei Vätern Umgang mit ihren unehelich geborenen Kindern zu gewähren. Darin lag eine Verletzung von Art. 14 i.V.m. Art. 8 EMRK (EGMR, Urt. v. 8.7.2003 – 30943/96 u. 31871/96, EuGRZ 2004, 707 = FamRZ 2004, 337 bzw. EuGRZ 2004, 711 = FamRZ 2004, 337).

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