Der am meisten vorgetragene Einwand abgemahnter Unternehmen ist, die Abmahnung sei rechtsmissbräuchlich. Jede Abmahnung wird als unangenehm empfunden. Damit ist sie aber keinesfalls rechtsmissbräuchlich i.S.d. Ausnahmevorschrift des § 8 Abs. 4 UWG. Da es keine allgemein zuständige Behörde gibt, die zur Verfolgung von Wettbewerbsverstößen zuständig ist, hat der Gesetzgeber dies den Mitbewerbern und Verbänden überlassen. Die Anzahl von Abmahnungen kann bei Mitbewerbern (nicht hingegen bei Verbänden, die ihre satzungsgemäßen Aufgaben verfolgen) ein Indiz für den Rechtsmissbrauch sein. Hier ist aber Vorsicht geboten. Kommt es im Markt zu einer Vielzahl von Verstößen, so ist es legitim, dass diese verfolgt werden. Bei der Vorgehensweise eines Mitbewerbers ist hierbei aber zu berücksichtigen, ob er überhaupt in Relation zu seinem kaufmännischen Betrieb in der Lage ist, eine Vielzahl von abgemahnten Fällen auch gerichtlich zu verfolgen. Mit einem solchen Fall hatte sich das OLG Hamm (Urt. v. 15.9.2015 – 4 U 105/15) zu befassen. Die Vorinstanz (LG Essen, Urt. v. 16.7.2015 – 43 O 62/15) hatte in einem Fall, in dem ein Mitbewerber über seinen Anwalt binnen ca. zwei Monaten 71 Abmahnungen verschickt hatte, eine einstweilige Verfügung erlassen. Der abgemahnte Mitbewerber legte hiergegen Berufung wegen rechtsmissbräuchlicher Vorgehensweise ein. Das OLG gab ihm Recht und wies den Verfügungsantrag als unzulässig zurück. Kostenrisiko und Eigenkapital beliefen sich in etwa gleich auf ca. 270.000 EUR. Im letzten Jahresabschluss des Abmahners wurden lediglich ca. 5.500 EUR erwirtschaftet. Insofern sind die Ausführungen des OLG überzeugend: "Ein vernünftig handelnder Kaufmann in der wirtschaftlichen Situation der Verfügungsklägerin – zumal bei ohnehin steigendem Absatz in dem betreffenden Marktsegment – hätte sein Kostenrisiko durch ein gestaffeltes und zeitlich gestrecktes Vorgehen bei der Abmahnung von Mitbewerbern minimiert und nicht eine derart umfangreiche Abmahntätigkeit innerhalb kürzester Zeit wie die Verfügungsklägerin entfaltet." Ob hinreichende Erfolgsaussicht besteht, Rechtsmissbrauch einzuwenden, muss im Einzelfall betrachtet werden. Tipp: Für den abgemahnten Unternehmer ist die Prozessführung jedenfalls immer mit einem erheblichen Prozess- und vor allem Kostenrisiko behaftet. War die Abmahnung berechtigt, so erscheint – von Ausnahmefällen abgesehen – der Weg der Abgabe einer geforderten Unterlassungserklärung sicherer zu sein. Die vom OLG Hamm aufgestellten Grundsätze gelten nur für Mitbewerber, nicht für Verbände. Denn diese haben einen anderen Zweck, nämlich im Interesse der Mitglieder und des Marktes für die Beseitigung von Missständen zu sorgen. Wo massenhaft verstoßen wird, sind dann auch entsprechend intensive Vorgehensweisen erforderlich (zur Zulässigkeit einer Vielzahl von Abmahnungen z.B. OLG Düsseldorf, Urt. v. 18.9.2012 – I-20 U 58/12; LG Köln, Urt. v. 7.10.2015 – 84 O 98/15).