Mit einer ungewöhnlich umfangreichen Tagesordnung hat der Bundesrat Anfang Juli in seiner letzten Sitzung vor der Sommerpause insgesamt 112 Gesetzesvorlagen behandelt. Dabei hat er für 63 Gesetze aus dem Deutschen Bundestag und 28 Verordnungen aus dem Bundeskabinett "grünes Licht" gegeben. Damit kommt auf Verwaltung, Bürger und Unternehmen noch vor der Bundestagswahl eine Reihe teilweise weitreichender Neuerungen zu. Zu den wichtigsten zählen:
Noch in diesem Jahr in Kraft treten dürfte die Ehe für gleichgeschlechtliche Partner. Das Gesetz sieht eine entsprechende Änderung des Bürgerlichen Rechts vor. Die Neueintragung einer Lebenspartnerschaft ist nach Inkrafttreten des Gesetzes nicht mehr möglich. Bereits eingetragene Lebenspartnerschaften bleiben hingegen bestehen, können aber in eine Ehe umgewandelt werden.
Ehen von unter 16-Jährigen gelten künftig generell als nichtig. Eine formelle Aufhebung ist nicht erforderlich. Die bisherige Möglichkeit, dass 16-Jährige unter bestimmten Voraussetzungen heiraten können, wird abgeschafft. Bei Ehen, die zwischen 16 und 18 Jahren geschlossen wurden, erfolgt die Aufhebung i.d.R. durch richterliche Entscheidung. Nur in besonderen Härtefällen kann davon abgesehen werden. Die neuen Regelungen schließen auch im Ausland geschlossene Ehen ein.
- Rehabilitierung Homosexueller
Strafrechtliche Verurteilungen wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen aufgrund des früheren § 175 StGB werden pauschal aufgehoben, die Verurteilten finanziell entschädigt. Das Gesetz gilt für Strafurteile, die nach 1945 in beiden deutschen Staaten ergingen. Ausgenommen sind Verurteilungen wegen sexueller Handlungen, die auch unter Heterosexuellen strafbar sind oder waren.
Noch vor der Bundestagswahl in Kraft treten soll ein Gesetz, wonach verfassungsfeindliche Parteien künftig keine staatlichen Gelder mehr erhalten. Antragsteller eines solchen Ausschlussverfahrens können Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung sein, entscheiden muss dann das BVerfG.
- Abschaffung der "Majestätsbeleidigung"
Im Januar kommenden Jahres wird der Straftatbestand des § 103 StGB entfallen. Er stellt bislang die Beleidigung von Organen und Vertretern ausländischer Staaten unter Strafe und war in die Schlagzeilen geraten, nachdem der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan ein Strafverfahren gegen den Satiriker und Moderator Jan Böhmermann forderte.
- Wohnungseinbruchsdiebstahl
Täter eines Wohnungseinbruchdiebstahls müssen künftig eine Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren fürchten. Dadurch gilt der Einbruchdiebstahl als Verbrechen. Ein Aussetzen der Strafe zur Bewährung wird damit ausgeschlossen.
Gebilligt hat die Länderkammer auch umfangreiche Änderungen insbesondere im Strafprozessrecht, die den Ermittlern neue Befugnisse an die Hand geben. So können Strafermittler künftig mittels Quellen-Telekommunikationsüberwachung und Online-Durchsuchung auch verschlüsselte Kommunikation von Verdächtigen abfangen und die Speicher ihrer Rechner unbemerkt durchsuchen, indem sie dafür Spionagesoftware verwenden. Der Richtervorbehalt für die Entnahme von Blutproben wird eingeschränkt. Künftig können auch Staatsanwaltschaft oder Polizei beim Verdacht bestimmter Verkehrsdelikte eine Blutprobe zur Beweissicherung anordnen. Das Fahrverbot als Nebenstrafe wird auch für Taten zugelassen, die in keinem Zusammenhang mit dem Straßenverkehr stehen. Die Höchstdauer des Fahrverbots wird auf sechs Monate verdoppelt.
Ab 2025 wird bundesweit ein einheitliches Rentenrecht gelten. Die Angleichung des unterschiedlichen Rentenrechts in Ost- und Westdeutschland erfolgt stufenweise über sieben Erhöhungen. Im ersten Schritt wird der Rentenwert Ost ab dem 1.7.2018 auf 95,8 % des Westwertes gehoben, in den darauffolgenden Jahren um jeweils 0,7 %. Die Kosten der Angleichung trägt in den ersten Jahren die Rentenversicherung. Von 2022 an leistet der Bundeshaushalt einen Zuschuss, im ersten Jahr 200 Mio. Euro, von 2023 bis 2025 jährlich jeweils 600 Mio. Euro mehr. Ab dem Jahr 2025 fällt der Bundeszuschuss damit dauerhaft jährlich um 2 Mrd. Euro höher aus.
Geplant ist eine steuerliche Förderung als Anreiz für Geringverdiener. Arbeitgeber erhalten einen direkten Steuerzuschuss von 30 %, wenn sie Beschäftigten mit weniger als 2.200 EUR brutto eine Betriebsrente anbieten. Dafür müssen sie zwischen 240 bis 480 EUR an Beiträgen jährlich entrichten. Auch bekommen Gewerkschaften und Arbeitgeber die Möglichkeit, Betriebsrenten zu vereinbaren, ohne dass der Arbeitgeber eine bestimmte Höhe garantiert. Im Falle einer Entgeltumwandlung ist der Arbeitgeber künftig verpflichtet, die ersparten Sozialversicherungsbeiträge an die Beschäftigten oder die Versorgungseinrichtungen weiterzuleiten. Die Neuregelung gilt von 2019 an für neue und von 2022 an auch für alte Vereinbarungen. Darüber hinaus wird es in der Grundsicherung erstmals Freibeträge bis zu 202 EUR geben. Auch di...