Viele Rechtsanwälte, die dem Mandanten im Wege der Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe beigeordnet worden sind, beklagen zurecht, dass sich das Gericht und dort der für die Festsetzung nach § 55 Abs. 1 S. 1 RVG zuständige Urkundsbeamte der Geschäftsstelle häufig sehr lange Zeit lässt, die beantragte PKH-/VKH-Anwaltsvergütung festzusetzen. Insbesondere für die Anwälte, die eine Vielzahl von PKH-/VKH-Mandaten bearbeiten, was etwa im Familien- und im Sozialrecht häufig der Fall ist, ist die verzögerte Festsetzung nicht nur ein Ärgernis. Vielmehr haben solche Verzögerungen auch weitreichende wirtschaftliche Folgen, laufen doch die Fixkosten der Kanzlei weiter, während der Eingang der bereits verdienten und fälligen PKH-/VKH-Anwaltsvergütung oft mehrere Monate und so manches Mal sogar Jahre auf sich warten lässt. Die Möglichkeit, die Festsetzung eines angemessenen Vorschusses nach § 47 Abs. 1 S. 1 RVG zu beantragen, hilft auch nicht viel weiter. Auch die Bearbeitung solcher Vorschussfestsetzungsanträge dauert oft mehrere Monate. Außerdem hindert die Bearbeitung dieser Anträge so manches Mal den Fortgang der Hauptsache, da die Akten längere Zeit dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle und dem von ihm eingeschalteten Bezirksrevisor vorliegen und nicht dem Richter. Es stellt sich deshalb für den Anwalt die Frage, ob er bei verzögerter Bearbeitung seines Festsetzungsantrags von der Staatskasse nicht ein Äquivalent für die Verzögerung wie etwa eine Verzinsung oder eine Verzugspauschale nach § 288 Abs. 5 BGB verlangen kann. Mit dieser Problematik hat sich vor einiger Zeit das LAG Sachsen-Anhalt (Beschl. v. 13.10.2020 – 4 Ta 71/20, zfs 2021, 105 m. Anm. Hansens = AGS 2021, 37 [Hansens]) befasst.
1. Fall des LAG Sachsen-Anhalt im Beschl. v. 13.10.2020 – 4 Ta 71/20
Das ArbG Magdeburg hatte der Klägerin durch Beschluss vom 25.4.2019 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Rechtsanwalts M bewilligt. Am 15.5.2019 hat Rechtsanwalt M beim ArbG Magdeburg einen Antrag auf Festsetzung der ihm aus der Landeskasse zustehenden PKH-Anwaltsvergütung gestellt. Mit weiterem mit dem Datum vom 15.5.2019 versehenen und beim ArbG Magdeburg am 25.6.2019 eingegangenem Antrag hat der Rechtsanwalt seinen Festsetzungsantrag in Form einer Mahnung wiederholt und neben der erneut beantragten Vergütung auch einen Anspruch auf eine Verzugspauschale gem. § 288 Abs. 5 BGB i.H.v. 40 EUR geltend gemacht. Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des ArbG Magdeburg hat am 27.6.2019 die beantragte Vergütung ohne die Verzugspauschale festgesetzt. Hiergegen hat Rechtsanwalt M unter Hinweis auf eine Entscheidung des BSG vom 27.6.2017 (B 2U 13/15 R – BSGE 123, 238 = NZS 2018, 275), nach der § 288 BGB auf öffentlich-rechtliche Vergütungsansprüche anzuwenden ist, Erinnerung eingelegt Außerdem hat er auf die Richtlinie 2000/35/EG vom 29.6.2000 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr hingewiesen. Das ArbG Magdeburg hat die Erinnerung zurückgewiesen und in seinem Beschluss die Beschwerde zugelassen. Die hieraufhin von Rechtsanwalt M eingelegte Beschwerde, der das ArbG Magdeburg nicht abgeholfen hat, hat das LAG Sachsen-Anhalt zurückgewiesen.
2. Kein Anspruch auf Verzinsung
Das LAG Sachsen-Anhalt hat darauf hingewiesen, dass beim Vergütungsfestsetzungsverfahren gem. § 11 RVG in § 11 Abs. 2 S. 3 RVG die entsprechende Anwendung von § 104 Abs. 1 S. 2 ZPO bestimmt ist, wonach auf Antrag die Verzinsung des festgesetzten Betrags mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB angeordnet wird. Demgegenüber verweist nach den weiteren Ausführungen des LAG § 55 Abs. 5 S. 1 RVG nicht auf die Vorschrift des § 104 Abs. 1 S. 2 ZPO, sondern nur auf § 104 Abs. 2 ZPO. Dies schließt nach Auffassung des LAG eine Verzinsung der PKH-Anwaltsvergütung aus. Insoweit hat sich das LAG Sachsen-Anhalt der Auffassung des Thüringer LSG (AGS 2015, 415 = RVGreport 2015, 421 [Hansens]) und des LSG München (Beschl. v. 8.5.2013 – L 15 SF 104/12 B, juris) angeschlossen.
Aufgrund der Änderung des § 55 Abs. 5 S. 1 RVG durch das KostRÄG 2021 (BGBl I, S. 3229) beschränkt sich die dortige Verweisung übrigens nur auf § 104 Abs. 2 S. 1 und 2 ZPO. § 104 Abs. 2 S. 3 ZPO, nach dem zur Berücksichtigung von Umsatzsteuerbeträgen die Erklärung des Antragstellers genügt, dass er diese Beträge nicht als Vorsteuer abziehen kann, wird nach der Neufassung nicht mehr für entsprechend anwendbar erklärt, da es für den Anspruch aus der Landeskasse auf die Vorsteuerabzugsberechtigung des Rechtsanwalts ohnehin nicht ankommt.
3. Kein Anspruch auf Verzugspauschale
Weil das RVG schon die Verzinsung des Vergütungsanspruchs des beigeordneten Rechtsanwalts gegenüber der Staatskasse nicht regelt, gilt dies nach den weiteren Ausführungen des LAG Sachsen-Anhalt erst recht für den Unterfall der gesetzlichen Verzinsung bei Verzug, nämlich bei der Verzugspauschale des § 288 Abs. 5 BGB. Auch deren Anwendung sei in den §§ 48–55 RVG nicht vorgesehen, sodass eine Festsetzung insoweit ausscheide.
a) Keine direkte Anwendung
Eine direkte Anwendung der §§ 286, 288 Abs. 5 BGB scheidet nach Auffassung des LAG Sachsen-Anhalt deshalb aus, weil zwischen dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin eine...