Altersbezüge von Versorgungswerken sind pfändbar – und zwar auch rückwirkend. Das hat soeben der Bundesgerichtshof (BGH) in einem Zwangsvollstreckungsverfahren gegen einen Architekten festgestellt. Der sozialrechtlich gebotene Schutz des unpfändbaren Stammrechts eines berufsständischen Altersruhegelds stehe dem nicht entgegen (BGH, Beschl. v. 5.7.2023 – VII ZB 3/20).
Der Fall: Ein Architekt hatte rd. 250.000 EUR Schulden angehäuft. In Höhe von knapp 190.000 EUR waren seine Ansprüche aus der Versorgungskasse der Architektenkammer Baden-Württemberg bereits gepfändet, als ein weiterer Gläubiger das Ruhegeld i.H.v. 64.000 EUR ebenfalls pfänden ließ. Obwohl der Schuldner die Altersruhegrenze bereits erreicht hatte, hatte er selbst noch keinen Antrag auf Auszahlung seiner Versorgungsbezüge gestellt. Diesen Antrag stellte nun der Gläubiger i.R.d. Pfändung und beanspruchte auch rückwirkend das bereits entstandene Ruhegeld. Gegen diese Pfändung wehrte sich die Insolvenzverwalterin des Schuldners erfolglos vor dem AG und dem LG.
Auch der BGH gab den Gläubigern im wesentlichen Recht und nutzte den Fall, seine Rechtsprechung zur Pfändung von Arbeitseinkommen weiterzuentwickeln. In seiner (auch für die amtliche Sammlung vorgesehenen) Entscheidung bestätigt der Senat zunächst die bisherige Rechtsprechung, dass Ansprüche gegen ein Versorgungswerk trotz ihrer Unabtretbarkeit grds. wie Arbeitseinkommen in den Grenzen von §§ 850c ff. ZPO pfändbar sindâEUR™(vgl. bereits BGH, Beschl. v. 25.8.2004 – IXa ZB 271/03, BGHZ 160, 197 und Beschl. v. 28.3.2007 – VIIâEUR™ZB 43/06, MDR 2007, 907).
Den im vorliegenden Fall vom Schuldner erhobenen Einwand, den Auszahlungsantrag noch gar nicht gestellt zu haben, entkräftete der Senat wie folgt: Die Pfändungsfreigrenzen nach §§ 850c ff. ZPO könnten nicht zur Disposition des Schuldners stehen. Die mit einer Pfändung verbundene Beschlagnahme erstrecke sich ohne Weiteres auf alle Nebenrechte, die im Fall einer Abtretung oder eines gesetzlichen Forderungsübergangs nach §§ 401, 412 BGB mit auf den neuen Gläubiger übergehen. Mit der Pfändung der Ansprüche auf Zahlung des Altersruhegelds aus dem Versorgungswerk der Architektenkammer Baden-Württemberg für die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft werde das Recht, einen Leistungsantrag – auch rückwirkend – zu stellen, umfasst.
Dem stehe nicht entgegen, dass das Recht, die Mitgliedschaft in einem berufsständischen Versorgungswerk zu beenden und die Erstattung gezahlter Beiträge zu verlangen, unpfändbar ist, da damit das Stammrecht erlischt (so BGH, Urt. v. 10.1.2008 – IX ZR 94/06). Die Pfändung der Ansprüche auf Zahlung der Altersruhebezüge müsse anders gesehen werden. Denn das durch Art. 14 GG geschützte Befriedigungsrecht des Gläubigers erfordere über die bloße Pfändbarkeit eines Anspruchs hinaus dessen weitergehende effektive Verwirklichung in dem der Pfändung nachfolgenden Vollstreckungsverfahren. Ohne die Mitpfändung des Leistungsantragsrechts nach der Satzung des Versorgungswerks sei es einem Gläubiger nicht möglich, die gepfändeten Ansprüche auf Zahlung des entsprechenden Altersruhegeldes mit Erfolg geltend zu machen.
Nur am Rande bemerkte der Senat in seinem Beschluss, dass er seine Erwägungen nicht nur für das Versorgungswerk der Architekten, sondern allgemein für Versorgungswerke der freien Berufe (und damit auch auf die Versorgungswerke der Rechtsanwaltschaft) verstanden wissen möchte.
[Quelle: BGH/Red.]