Rechtsanwälte vertreten in einem Rechtsstreit nicht selten Mandanten, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind. Die Vertretung eines solchen Mandanten ist nur dann sinnvoll durchzuführen, wenn dieser Kenntnis von dem Prozessstoff hat. Dies schließt gerichtliche Entscheidungen und Verfügungen, aber auch die gegnerischen Schriftsätze und die Schriftsätze des eigenen Prozessbevollmächtigten ein. Dieser Prozessstoff kann dem der deutschen Sprache nicht mächtigen Mandanten auf folgende Weise zur Kenntnis gebracht werden:
a) Mündliche Übersetzung durch den Prozessbevollmächtigten
Ist der Prozessbevollmächtigte der Sprache seines Mandanten mächtig, kann er die vorgenannten Schriftstücke dem Mandanten mündlich übersetzen. Diese Tätigkeit fällt unter den Abgeltungsbereich der Verfahrensgebühr, gehört also zum Betreiben des Geschäfts (Vorbem. 3 Abs. 2 VV RVG). Denn der Rechtsanwalt tut in der von ihm beherrschten fremden Sprache genau das, was er sonst in deutscher Sprache tun müsste (s. Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 2023, Nr. 3100 VV RVG Rn 25). Folglich werden diese Übersetzungstätigkeiten durch die Verfahrensgebühr, etwa nach Nr. 3100 VV RVG, mit abgegolten. Eine besondere Vergütung erhält der Rechtsanwalt für mündliche Übersetzungen somit nicht.
Etwas anders ist dies bei der vorgerichtlichen Tätigkeit. Im Rahmen des Vertretungsmandats erhält der Rechtsanwalt für mündliche Übersetzungen zwar ebenfalls keine besondere Vergütung. Jedoch wird die Übersetzungstätigkeit den Umfang und die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit anheben, was dazu führen kann, dass die im Regelfall anfallende Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG nach einem höheren Gebührensatz als ohne diese Übersetzungstätigkeit bestimmt werden kann.
b) Mündliche Übersetzung durch einen Dolmetscher
Ist der Prozessbevollmächtigte der fremden Sprache nicht – hinreichend – mächtig, kann es notwendig sein, einen Dolmetscher heranzuziehen. Dieser wird entweder von dem Mandanten selbst beauftragt; die in Anwendung der §§ 8 ff. JVEG angefallenen Dolmetscherkosten sind dann je nach den Umständen des Einzelfalls erstattungsfähige Auslagen der obsiegenden Partei. Beauftragt der Prozessbevollmächtigte den Dolmetscher im eigenen Namen, schuldet er auch dem herangezogenen Dolmetscher dessen Vergütung persönlich. In diesem Fall gehören die Dolmetscherkosten zu den nach Vorbem. 7 Abs. 1 S. 2 VV RVG grds. zu ersetzenden Aufwendungen.
c) Schriftliche Übersetzung durch den Prozessbevollmächtigten
Übersetzt der Prozessbevollmächtigte – wie hier im Fall des OLG Brandenburg – die Schriftstücke selbst in die Sprache seines Auftraggebers, wird diese Tätigkeit nicht durch die Verfahrensgebühr abgegolten, sondern ist ihm daneben nach Maßgabe der §§ 8 ff. JVEG gesondert zu vergüten (OLG Bamberg, Beschl. v. 17.4.1974 – 5 W 21/74, JurBüro 1974, 1027; OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 30.4.1962 – 6 W 137/62, NJW 1962, 1577; KG, Beschl. v. 10.10.1966 – 1 W 2101/66, JurBüro 1967, 77; OLG Karlsruhe, Urt. v. 13.3.1978 – 12 W 11/78, Justiz 1978, 315; Ott, AnwBl. 1981, 173), einschränkend jedoch das OLG Stuttgart: Die Korrespondenz und Informationsgespräche des Rechtsanwalts mit dem Mandanten in einer Fremdsprache werden durch die – damalige – Prozessgebühr abgegolten. Eine zusätzliche Vergütung nach Maßgabe des JVEG erhält der Rechtsanwalt nach Auffassung des OLG Stuttgart nur, wenn die Übersetzungstätigkeit des Rechtsanwalts eine über den normalen Tätigkeitsbereich erheblich hinausgehende Mühewaltung darstellt (OLG Stuttgart, Beschl. v. 24.7.1980 – 8 W 123/80, JurBüro 1981, 65 = Rpfleger 1981, 32).
d) Erstattungsfähigkeit
Einigkeit besteht in der Rspr. darüber, dass der der deutschen Sprache nicht mächtige Mandant über die dem Rechtsstreit zugrunde liegenden Umstände angemessen informiert werden muss. Ob dies durch eine mündliche Übersetzung der Schriftstücke seitens des Prozessbevollmächtigten erfolgen kann oder ob der Rechtsanwalt dem Mandanten schriftlich eine geraffte Zusammenfassung des Prozessstoffs mitteilt oder ob eine wörtliche Übersetzung sämtlicher Schriftstücke notwendig ist, beurteilt sich nach den Umständen des Einzelfalls. Die Erstattungsfähigkeit von Übersetzungskosten, seien sie in der Person eines Übersetzers oder des Prozessbevollmächtigten selbst angefallen, hängt somit entscheidend davon ab, inwieweit eine wörtliche Übersetzung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls erforderlich war. Hierbei ist auch die Verpflichtung der obsiegenden Partei, die Kosten im Rahmen der Verständigung möglichst niedrig zu halten, in den Blick zu nehmen.
ZAP F., S. 713–728