Zusammenfassung
Mit der anwaltlichen Beiordnung im Rahmen der Prozesskostenhilfe (PKH) bzw. Verfahrenskostenhilfe (VKH) geht die Pflicht einher, nach Abschluss des gerichtlichen Verfahrens den Mandanten in den Prozesskostenhilfeüberprüfungsverfahren zu vertreten. Diese unliebsame Tätigkeit mithilfe einer Beschränkung auf das Prozesskostenhilfeantragsverfahren in der Anwaltsvollmacht auszuschließen, ist nicht möglich. So hat das BAG nun klargestellt, dass die Beiordnung eines Anwaltes ohne die Bereitschaft, die Parteien im PKH-Nachprüfungsverfahren zu vertreten, ausgeschlossen ist. Der nachfolgende Beitrag befasst sich mit den prozessrechtlichen Folgen und Besonderheiten, die mit der Bewilligung von Prozesskosten- oder Verfahrenskostenhilfe einhergehen, im Besonderen mit den anwaltlichen Fürsorge-, Belehrungs- und Betreuungspflichten.
I. Prozessualer Umfang der anwaltlichen Beiordnung
Aus der anwaltlichen Beiordnung gem. § 121 ZPO im Rahmen der Prozesskostenhilfe (PKH) bzw. Verfahrenskostenhilfe (VKH) folgt die Pflicht, im gerichtlichen Verfahren die Vertretung einer Partei zu übernehmen (§ 48 Abs. 1 BRAO). Die Bewilligung von PKH oder VKH löst für die begünstigte Partei zahlreiche Verpflichtungen aus, bei deren Nichtbeachtung der Entzug der Bewilligung riskiert wird (§§ 120a, 124 ZPO). Für die Dauer von vier Jahren nach rechtskräftigem Abschluss des gerichtlichen Verfahrens müssen – unaufgefordert – Änderungen von Anschriften und Einkünften der Partei dem Gericht mitgeteilt werden.
Da auch das Überprüfungs- bzw. Abänderungsverfahren Teil des PKH-Verfahrens ist, geht die Rspr. davon aus, dass die anwaltliche Vollmacht des im ursprünglichen Verfahren bestellten Verfahrensbevollmächtigten auch im Überprüfungsverfahren fortbesteht (BGH, Beschl. v. 8.9.2011 – VII ZB 63/10, FamRZ 2011, 1867 (Ls.); BGH, Beschl. v. 8.12.2010 – XII ZB 151/10, FF 2011, 219; BGH, Beschl. v. 8.12.2010 – XII ZB 38/09, FamRZ 2011, 463; BGH, Beschl. v. 8.12.2010 – XII ZB 148/10; vgl. auch BAG, Beschl. v. 19.7.2006 – 3 AZB 18/06; OLG Stuttgart, Beschl. v. 28.2.2011 – 8 WF 17/11; OLG Stuttgart, Beschl. v. 19.5.2011 – 8 WF 66/11, FamRZ 2011, 1746; OLG Hamm, Beschl. v. 16.3.2011 – II-8 WF 70/11; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 3.12.2013 – 2 WF 122/13; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 2.6.2017 – 18 WF 302/14, FamRZ 2017, 1702; LAG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 3.8.2011 – 1 Ta 127/11, juris).
Denn der Umfang einer Beiordnung erstreckt sich grds. auf den gesamten Rechtszug nach § 119 Abs. 1 S. 1 ZPO (BGH, Beschl. v. 17.1.2018 – XII ZB 248/16, NJW 2018, 1679; BAG, Beschl. v. 18.4.2024 – 4 AZB 22/23) und umfasst daher auch die nachträgliche Überprüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen der PKH nach § 120 Abs. 4 ZPO und die Überprüfung der Tatbestände für eine nachträgliche Aufhebung einer bereits bewilligten PKH nach § 124 ZPO (LAG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 10.8.2023 – 5 Ta 65/22 m.w.N.).
Folglich müssen Beschlüsse in diesem Überprüfungsverfahren dem bisherigen Verfahrensbevollmächtigten und nicht dem Beteiligten selbst zugestellt werden (BGH, Beschl. v. 8.12.2010 – XII ZB 151/10; OLG Hamm, Beschl. v. 12.4.2024 – 4 WF 36/24; OLG Hamm, Beschl. v. 14.2.2023 – 4 WF 174/22, FuR 2023, 500; OLG Hamm, Beschl. v. 14.2.2023 – 4 WF 3/23, FamRZ 2024, 56; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 7.6.2021 – 18 WF 14/21, FamRZ 2021, 1722; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 13.11.2019 – 6 WF 166/19, FuR 2020, 379; OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 2.10.2017 – 8 WF 37/17, FamRZ 2018, 517; OLG Stuttgart, Beschl. v 14.3.2018 – 8 WF 28/18, FUR 2018, 435; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 23.4.2018 – 16 WF 68/18, FF 2018, 259; OLG Brandenburg, Beschl. v. 23.8.2016 – 13 WF 205/16, FUR 2017, 32; LAG Hamm, Beschl. v. 7.6.2021 – 14 Ta 144/21, juris Rn 10 ff.; LAG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 3.8.2011 – 1 Ta 127/11, juris). Erfolgt die Zustellung direkt an den Mandanten, liegt ein Verfahrensfehler vor, der zur Aufhebung der Entscheidung führt.
Erfolgt also eine Beiordnung als PKH-Anwalt, muss der Mandant auch nach rechtskräftigem Abschluss der Sache noch im anschließenden vier Jahre dauernden PKH-Überprüfungsverfahren gem. § 120a ZPO weiter vertreten werden, wobei hierfür keine zusätzliche Kostenerstattung gewährt wird (OLG Nürnberg, Beschl. v. 27.8.2018 – 10 WF 973/18, FamRZ 2019, 469; OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 11.10.2016 – 2 WF 237/16, FamRZ 2017, 992; VG Dresden, Beschl. v. 21.1.2022 – 12 K 1735/19.A; LAG Bremen, Beschl. v. 25.9.2023 – 1 Ta 25/23). Das Prozesskostenhilfeverfahren löst neben den Rechtsanwaltsgebühren für das Hauptsacheverfahren keine gesonderte Rechtsanwaltsvergütung aus. Nach § 15 Abs. 2 RVG kann der Rechtsanwalt die Gebühren in derselben Angelegenheit nur einmal fordern. Das Verfahren über die Prozesskostenhilfe und das Verfahren, für das die Prozesskostenhilfe beantragt worden ist, stellen hierbei eine Angelegenheit dar (§ 16 Nr. 2 RVG).
II. Fortwirkung der Fürsorge-, Belehrungs- und Betreuungspflichten; gerichtliche Entpflichtung
Nicht Erfolg versprechend ist die Überlegung, durch eine Niederlegung des Mandats diese langfristigen Mehrbelastungen für die anwaltliche Praxis zu vermeiden. Denn der beigeordnete Verfahrensbevollmächtigte k...