Das Verfahren der Normenkontrolle sticht aus dem verwaltungsprozessualen Rechtsschutzsystem heraus. Es handelt sich um ein Antragsverfahren eigener Art. Der Ausdruck "Normenkontrollklage" ist zumindest irreführend, wird aber zuweilen selbst vom BVerwG benutzt. Zutreffend spricht man von einem Normenkontrollverfahren.
a) Funktion
Das Normenkontrollverfahren ist durch den subjektiven Rechtsschutz und die objektive Rechtskontrolle geprägt (vgl. etwa BVerwGE 64, 77, 79). Der Individualrechtsschutz steht in der Praxis eindeutig im Vordergrund (Schmidt in: Eyermann, a.a.O., § 47 Rn. 5).
b) Antragsbefugnis
Den Antrag kann jede natürliche oder juristische Person, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden sowie jede Behörde innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung der Rechtsvorschrift stellen, § 47 Abs. 2 S. 1 VwGO. Antragsberechtigte juristische Personen sind auch solche des öffentlichen Rechts, wenn sie fiskalisch tätig werden (Schmidt, a.a.O., § 47 Rn. 39 mit zahlreichen Beispielen und weiteren Nachweisen).
Hinweis:
Während bis zum 6. VwGO-ÄndG ein Nachteil ausreichend war, ist nunmehr eine Rechtsverletzung geltend zu machen. Anders als ursprünglich befürchtet, hat sich in der Praxis nichts wesentlich geändert. Der Begriff des "Nachteils" wird fast deckungsgleich zu dem der "Rechtsverletzung" gesehen.
c) Antragstellung
Für das Normenkontrollverfahren besteht Anwaltszwang, da es vor dem OVG/VGH geführt wird. Der Hauptantrag sollte inhaltlich § 47 Abs. 5 S. 2 VwGO folgen: "Die Norm ... wird für unwirksam erklärt." Zu beachten ist, dass das OVG die Norm nicht aufhebt, sondern sie mit deklaratorischer Wirkung für unwirksam erklärt (vgl. Kopp/Schenke, a.a.O., § 47 Rn. 120). Der Antrag kann auf Teile einer Rechtsvorschrift beschränkt werden; auch Hilfsanträge sind zulässig (vgl. VGH Mannheim NVwZ 1985, 351). Ein Normenkontrollantrag hat keine aufschiebende Wirkung, weil vorläufiger Rechtsschutz ausschließlich über § 47 Abs. 6 VwGO gewährt wird. Der Antrag ist innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung der Rechtsvorschrift stellen, § 47 Abs. 2 S. 1 VwGO. Der Beginn der Jahresfrist hängt dabei allein von der Bekanntmachung des Bebauungsplans ab, nicht von seinem Inkrafttreten und auch nicht von der Kenntnisnahme des Antragstellers. Es handelt sich um eine echte Ausschlussfrist ohne die Möglichkeit einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Das Antragsrecht kann unter sehr strengen Voraussetzungen verwirkt werden.
d) Prüfungsgegenstand und Prüfungsmaßstab
Eine Normenkontrolle ist statthaft zur Überprüfung von Satzungen, die nach den Vorschriften des Baugesetzbuchs erlassen worden sind, sowie von Rechtsverordnungen aufgrund des § 246 Abs. 2 BauGB und von anderen im Rang unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften, sofern das Landesrecht dies bestimmt, § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO.
Satzungen nach dem BauGB können umfassend überprüft werden. Zu nennen sind:
- Bebauungspläne, § 10 BauGB,
- Satzungen zu Veränderungssperren, § 14 BauGB,
- Fremdenverkehrsfunktionssicherungssatzungen, § 22 BauGB,
- Vorkaufsrechtssatzungen, § 25 Abs. 1 BauGB,
- Abrundungssatzungen, § 34 Abs. 4 BauGB,
- Sanierungssatzungen, § 142 BauGB,
- Erhaltungssatzungen, § 172 BauGB,
- übergeleitete Bebauungspläne, § 173 BauGB.
Hinweis:
Umlegungsbeschlüsse oder Umlegungspläne nach den §§ 47, 66 BauGB und Bebauungsplanentwürfe nach § 33 BauGB unterliegen nicht dem Verfahren nach § 47 VwGO. Dies gilt auch für den Nichterlass eines Bebauungsplans (BVerwG Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 31).
Rechtsvorschriften im Range unter dem Landesgesetz können überprüft werden, wenn der Landesgesetzgeber von der Ermächtigung in § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO Gebrauch gemacht hat. In 13 Bundesländern ist dies zum Teil mit Einschränkungen erfolgt. Nordrhein-Westfalen, Berlin und Hamburg haben von der Ermächtigung keinen Gebrauch gemacht, eine Normenkontrolle nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO ist mithin in diesen Bundesländern nicht statthaft.
Normenkontrollfähige Rechtsvorschriften (vgl. Schmidt, a.a.O., § 47 Rn. 30 f.) können z.B. sein:
- Anstalts- und Benutzungsordnungen,
- Badeordnungen,
- Organisationsakte und Organisationsverordnungen,
- Pflichtstundenregelungen,
- Polizeiverordnungen (nur präventivpolizeiliche Maßnahmen),
- Schul- und Prüfungsordnungen,
- Studienpläne,
- gerichtliche Geschäftsverteilungspläne(str.).
Nicht normenkontrollfähig sind etwa:
- technische Regelwerke,
- ermessenslenkende oder normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften.
Das OVG entscheidet nur im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit. Konkret bedeutet dies, dass die Anwendung der Normen zu einer öffentlich-rechtlichen Streitigkeit führen können muss (Kopp/Schenke, a.a.O., § 47 Rn. 22).
e) Prüfungsreihenfolge Begründetheit
- Passivlegitimation: normerlassende Körperschaft (§ 47 Abs. 2 S. 2 VwGO),
Rechtswidrigkeit der angegriffenen Norm,
- Formelle Rechtswidrigkeit:
- fehlende Zuständigkeit des Normgebers,
- Verstoß gegen Verfahrensrecht (beachte aber: Heilung, Unbeachtlichkeit),
- Verstoß gegen Formvorschriften (Bekanntmachungserfordernisse).
- Materielle Rechtswidrigkeit:
- fehlende oder rechtswi...