Juristen kritisieren Entwicklung in der Türkei
Das Vorgehen der türkischen Staatsführung mit der Entlassung und teilweisen Verhaftung von mehreren Tausend Richtern und Staatsanwälten ist beim Deutschen Richterbund (DRB) und beim Deutschen Anwaltverein (DAV) auf scharfe Kritik gestoßen. Beide Verbände forderten die Bundesregierung und die Europäische Kommission auf, sich nachdrücklich für die Unabhängigkeit der Justiz und der Anwaltschaft in der Türkei einzusetzen.
Das Vorgehen der türkischen Regierung und des Staatspräsidenten sei ein schwerer Schlag gegen die Unabhängigkeit der türkischen Justiz, kritisiert der Vorsitzende des Deutschen Richterbundes, Jens Gnisa. Die Staatsführung missbrauche den abgewendeten Putschversuch, um die rechtsstaatlichen Strukturen in der Türkei dramatisch zu beschneiden. Er forderte, die entlassenen Richter und Staatsanwälte unverzüglich wieder in ihre bisherigen Ämter einzusetzen.
Der Präsident des DAV, Rechtsanwalt und Notar Ulrich Schellenberg, befürchtet eine unumkehrbare Erosion des Rechtsstaates in der Türkei: Mit der Entlassung und Verhaftung von Richtern wende sich die türkische Regierung abermals gegen den Rechtsstaat. Was mit der nicht nachvollziehbaren Strafverfolgung kritischer Rechtsanwälte begonnen habe, setze sich nun mit dem systematischen Vorgehen gegen die türkische Richterschaft und Staatsanwaltschaft fort.
Die jüngsten Ereignisse dürften nicht als Argument missbraucht werden, sich von den Maßstäben des Rechts und der Demokratie derart zu entfernen. Dies gelte auch im Hinblick auf die diskutierte Wiedereinführung der Todesstrafe. Die Unabhängigkeit von Justiz und Anwaltschaft seien Grundvoraussetzungen für eine funktionierende Demokratie, so der DAV-Präsident.
Gnisa und Schellenberg forderten die türkische Führung zu einem Kurswechsel auf: Die Verfolgung von Richtern, Staatsanwälten und Rechtsanwälten müsse aufhören, die Justiz müsse unabhängig arbeiten können. Insbesondere dürfe es keine Sondergerichte und Spezialabteilungen der Staatsanwaltschaft geben, um gegen Verdächtige des Putschversuchs vorzugehen.
An die Bundesregierung und die Europäische Kommission appellierten die beiden Verbände dringend, die Unabhängigkeit von Justiz und Rechtspflege in der Türkei offensiv einzufordern und sicherzustellen, dass jede weitere Kooperation mit der Türkei nur erfolge, wenn dort rechtsstaatliche Verhältnisse wieder hergestellt werden.
[Quellen: DRB/DAV]
Zeitdruck wegen Erbschaftsteuerreform wächst
Der Zeitdruck, unter dem sich Regierung und Parlament wegen des vom Bundesverfassungsgericht gesetzten Termins zur Neuregelung des Erbschaft- und Schenkungsteuerrechts befinden, hat sich jetzt nochmals verschärft. Unmittelbar nachdem der Bundesrat Mitte Juli den Vermittlungsausschuss angerufen und damit verdeutlicht hatte, dass sich das Gesetzgebungsvorhaben um weitere Monate verzögern würde, hat der Vorsitzende des Ersten Senats des BVerfG, Prof. Dr. Ferdinand Kirchhof, in einem Schreiben sowohl an die Bundesregierung als auch an den Bundestag und den Bundesrat mitgeteilt, dass der Erste Senat sich nach der Sommerpause Ende September mit dem weiteren Vorgehen im Normenkontrollverfahren um das Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz befassen werde. Möglicherweise, so wird vermutet, wird das Gericht dann eine eigene Übergangsregelung zur Erbschaftsteuer verkünden.
In seinem Urteil vom 17.12.2014 (vgl. ZAP EN-Nr. 20/2015) hatte der Erste Senat das aktuelle Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht in mehreren Punkten für verfassungswidrig erklärt, es zugleich jedoch übergangsweise für weiter anwendbar erklärt. Dem Gesetzgeber wurde eine Frist zur Neuregelung bis zum 30. Juni dieses Jahres gesetzt, die dieser allerdings mittlerweile verpasst hat, weil im Bundesrat keine Einigung über den von der Regierungskoalition vorgelegten Gesetzentwurf erzielt werden konnte.
Damit droht den Politikern nun neues "Ungemach" aus Karlsruhe. Finanzminister Schäuble macht deshalb nun Druck auf den Vermittlungsausschuss, wie mehrere Tageszeitungen berichteten. So soll er die Mitglieder des Gremiums aufgefordert haben, sich nicht erst nach dem Ende der parlamentarischen Sommerpause im September wieder zusammenzusetzen, sondern vorzeitig aus dem Urlaub zurückzukehren. Das jüngste Schreiben des BVerfG sei so zu verstehen, dass die Verfassungsrichter von den Politikern erwarten, noch innerhalb der Sommerpause eine Lösung zu finden.
Dagegen sieht der Vorsitzende des Vermittlungsausschusses, Johann Wadephul, offenbar keinen Grund zur Eile. Wie eine Nachrichtenagentur meldete, zeigte er sich Journalisten gegenüber zuversichtlich, dass in dem Ausschuss rasch eine Einigung gelingt. Bis Ende September, wenn sich das BVerfG erneut mit der Erbschaftsteuer befassen wolle, sei es bei gutem Willen möglich, das Vermittlungsverfahren erfolgreich zu Ende zu bringen, wird Wadephul zitiert. Er sehe deshalb keine Notwendigkeit, den Vermittlungsausschuss außerplanmäßig noch vor dem Ende der Sommerpause Anfang September zusammentreten zu lassen.
Diesen Optimismus des Ausschussvorsitzenden hat allerdings inzwischen der bade...