Beim nachehelichen Unterhalt ab Rechtskraft der Scheidung haben folgende Fragen praktische Bedeutung:
- Voraussetzungen des Anspruchs aus § 1570 BGB wegen der Betreuung eines gemeinschaftlichen Kindes;
- Begrenzung und Befristung des nachehelichen Unterhalts gem. § 1578b BGB;
- die Verwirkung des nachehelichen Unterhalts gem. § 1579 BGB;
- die Behandlung von Schulden nach der Scheidung;
- die Behandlung des Wohnvorteils nach der Scheidung.
a) Anspruch aus § 1570 BGB
Ein Unterhaltsanspruch aus § 1570 Abs. 1 S. 1 BGB besteht, wenn das betreute eheliche Kind noch keine drei Jahre alt ist. Danach verlängert sich der Unterhaltsanspruch, wenn dies der Billigkeit entspricht (§ 1570 Abs. 1 S. 2 BGB). Dabei sind die Belange des Kindes und die bestehenden Möglichkeiten der Kinderbetreuung zu berücksichtigen (§ 1570 Abs. 1 S. 3 BGB).
b) Begrenzung und Befristung (§ 1578b BGB)
Eine Begrenzung und Befristung des Geschiedenenunterhalts nach § 1578b BGB ist möglich, wenn dem anspruchstellenden Ehegatten keine ehebedingten Nachteile erwachsen sind und auch die Billigkeit keinen unbefristeten und in der Höhe unbeschränkten Unterhalt erfordert.
Ein Nachteil ist nur dann ehebedingt, wenn er Folge des Lebenszuschnitts der Ehegatten während der Ehe – also aufgrund der Rollenverteilung in der geschiedenen Ehe – entstanden ist (Kausalität). Maßgeblich ist dabei allein der Zeitraum zwischen der Heirat und der Zustellung des Scheidungsantrags (BGH NJW 2013, 1444; FamRZ 2012, 776).
Für die Frage der Billigkeit (nacheheliche Solidarität) sind u.a. folgende Gesichtspunkte von Bedeutung:
- Dauer der Ehe;
- die konkrete Entwicklung bereits während Ehe und Trennungszeit;
- die Dauer und Höhe der bisherigen Unterhaltszahlungen;
- die gegenwärtige und zukünftige wirtschaftliche Situation der beiden Eheleute (zur Behandlung eines noch zu zahlenden Zugewinnausgleichs BGH, Urt. v. 12.1.2011 – XII ZR 83/08, NJW 2011, 670 m. Anm. Born = FamRZ 2011, 454 m. Anm. Finke = FuR 2011, 295; s.a. OLG Stuttgart, Beschl. v. 15.11.2011 – 17 UF 177/11, NJW 2012, 689 = FamRZ 2012, 983);
- die Belastung des Unterhaltspflichtigen auch durch neue Unterhaltspflichten (BGH NJW 2014, 1302 = FamRZ 2014, 823; NJW 2013, 1530 = FamRZ 2013, 853 m. Anm. Hoppenz = FF 2013, 308);
- die aktuelle gesundheitliche Situation der geschiedenen Eheleute (BGH NJW 2013, 2434; BGH, Urt. v. 14.4.2010 – XII ZR 89/08, NJW 2010, 2056), sowie Umstände aus der Vergangenheit.
c) Reduzierung des Unterhalts
Ein – an sich bestehender – Unterhaltsanspruch kann nach § 1579 BGB ggf. herabgesetzt werden oder gar gänzlich entfallen. Neben den Tatbestandsvoraussetzungen (s. Teil 1, Phase 1 – Trennung der Eheleute, II. 1. c) kommt hier noch § 1579 Nr. 1 BGB – kurze Ehezeit – in Betracht.
d) Schulden nach der Scheidung
Schulden aus der Ehezeit sind weiterhin anzurechnen. Schulden, die erst nach dem Scheitern der Ehe aufgenommen werden, wirken sich auf den Bedarf des unterhaltsberechtigten Ehegatten nicht aus, da ihnen der Bezug zur Ehe fehlt. Sie können aber unter Umständen die Leistungsfähigkeit des unterhaltspflichtigen Ehegatten berühren und so dem anderen Ehegatten entgegen gehalten werden.
Unterhaltsansprüche haben nicht generell Vorrang vor anderen Verbindlichkeiten (BGH, Urt. v. 10.7.2013 – XII ZB 297/12, NJW 2013, 2897). Es ist eine umfassende Interessenabwägung erforderlich, bei der Zweck der Verbindlichkeiten, der Zeitpunkt und die Art ihrer Entstehung, die Dringlichkeit der beiderseitigen Bedürfnisse, die Kenntnis des Unterhaltsschuldners von Grund und Höhe der Unterhaltsschuld und seine Möglichkeiten von Bedeutung sind, die Leistungsfähigkeit ganz oder teilweise wiederherzustellen (BGH, Beschl. v. 19.3.2014 – XII ZB 367/12, FamRZ 2014, 923).
Praxishinweis:
Wer die unterhaltsrechtliche Berücksichtigung von Schuldenbelastungen erreichen will, muss substantiierte Darlegungen zu den oben beschriebenen Umständen bringen.
e) Wohnvorteil nach der Scheidung
Spätestens ab dem Zeitpunkt der Rechtskraft der Scheidung – wenn nicht bereits zu einem früheren Zeitpunkt – ist dem Ehegatten, der in der früheren Ehewohnung verblieben ist, nicht mehr nur der (niedrigere) angemessene Wohnvorteil anzurechnen, sondern der tatsächliche volle Wohnwert (oder besser Vermietungswert) der Wohnung. Wegen der Verletzung der jetzt bestehenden Verwertungsobliegenheit muss der konkrete Preis, zu der die Wohnung bzw. das eigene Haus vermietet werden könnte, ermittelt und als fiktives Einkommen angerechnet werden. Bei diesen fiktiven Mieteinkünften ist zu beachten, dass sie versteuert werden müssen.