Trotz der immer größeren Möglichkeiten, einen Fachanwaltstitel zu erwerben, sind einige Rechtsanwälte weiterhin versucht, ihre Briefbögen mit selbst kreierten Fantasiebezeichnungen anzureichern, die sie als besonders qualifiziert für bestimmte Rechtsbereiche ausweisen sollen. Besonders beliebt scheint insofern die Selbstbezeichnung "Spezialist für ..." zu sein. Insoweit legen die Vorgaben des § 7 BORA, die auf eine Entscheidung des BVerfG zurückgehen (Beschl. v. 28.7.2004 – 1 BvR 159/04), fest, dass Teilbereiche der Berufstätigkeit unabhängig von Fachanwaltsbezeichnungen nur benannt werden dürfen, wenn sowohl den Angaben entsprechende theoretische Kenntnisse und praktische Tätigkeiten nachgewiesen werden als auch die Gefahr einer Verwechslung mit Fachanwaltschaften oder sonstigen Irreführung ausgeschlossen ist.

Entsprechen die Fähigkeiten eines Rechtsanwalts, der sich als Spezialist auf einem Rechtsgebiet bezeichnet, für das eine Fachanwaltschaft besteht, den an einen Fachanwalt zu stellenden Anforderungen, sollte nach einer Entscheidung des I. Zivilsenats gleichwohl keine Veranlassung bestehen, dem Rechtsanwalt die Führung einer entsprechenden Bezeichnung zu untersagen, selbst wenn beim rechtsuchenden Publikum die Gefahr einer Verwechslung mit der Bezeichnung "Fachanwalt für Familienrecht" gegeben sei (BGH, Urt. v. 24.7.2014 – I ZR 53/13 m. krit. Anm. Deckenbrock BerlAnwBl 2015, 124). Nunmehr hatte der Anwaltssenat über den ungewöhnlichen Fall zu entscheiden, dass sich ein "Fachanwalt für Erbrecht" zusätzlich auch als "Spezialist für Erbrecht" darstellen wollte (Urt. v. 5.12.2016 – AnwZ [Brfg] 31/14, ZAP EN-Nr. 236/2017). Der Senat vertrat die Auffassung, dass insofern keine synonyme Verwendung der beiden Bezeichnungen vorliege. Vielmehr bringe derjenige, der bereits Fachanwalt sei, zum Ausdruck, dass er über Kenntnisse und praktische Erfahrungen verfüge, die diejenigen eines "Nur-Fachanwalts" nicht nur unerheblich überschreiten.

Beide Entscheidungen stehen zueinander in einem nur schwer auflösbaren Spannungsverhältnis (zust. zu der Entscheidung des Anwaltssenats aber Quaas BRAK-Mitt. 2017, 2, 9 f.): Es ist widersprüchlich, gerade für "echte" Fachanwälte höhere Anforderungen an die Nutzung einer Spezialistenbezeichnung zu statuieren als für Nichtfachanwälte (vgl. Deckenbrock ZAP F. 23, S. 1099, 1101; Remmertz NJW 2015, 707, 708; Saenger/Scheuch BRAK-Mitt. 2016, 157, 164). Unklar bleibt zudem, wie ein Anwalt, der bereits als Fachanwalt für ein bestimmtes Gebiet theoretische Leistungsnachweise erbracht und erhebliche praktische Erfahrungen nachgewiesen hat, überhaupt noch dieses Niveau erheblich übersteigende Kenntnisse und Erfahrungen darlegen kann und in welchem Umfang dies erfolgen soll (Offermann-Burckart BRAK-Mitt. 2017, 10, 12 f.). Unabhängig davon steht auch nach der Entscheidung nicht rechtssicher fest, inwiefern sich Fachanwaltstitel und Spezialistenbezeichnung überhaupt vertragen oder ob sich nicht vielmehr aus § 7 Abs. 2 BORA ein Abstandsgebot bzw. sogar ein Verbot der Doppelbezeichnung ableiten lässt (näher Deckenbrock ZAP F. 23, S. 1099, 1102).

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