Eine ordentliche Beendigungskündigung ist nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ausgeschlossen, wenn die Möglichkeit besteht, den Arbeitnehmer auf einem anderen freien Arbeitsplatz ggf. auch zu geänderten (schlechteren) Arbeitsbedingungen weiter zu beschäftigen (sog. Vorrang der Änderungs- vor der Beendigungskündigung als Ultima Ratio). Die Weiterbeschäftigungsmöglichkeit muss für den Arbeitnehmer geeignet sein. Der Arbeitnehmer muss unter Berücksichtigung angemessener Einarbeitungszeiten den Anforderungen des neuen Arbeitsplatzes entsprechen. Dabei unterliegt die Gestaltung des Anforderungsprofils für den freien Arbeitsplatz der lediglich auf offenbare Unsachlichkeit zu überprüfenden Unternehmerdisposition des Arbeitgebers. Ist im Zeitpunkt des Kündigungszugangs eine Beschäftigungsmöglichkeit nicht mehr vorhanden, wurde also ein freier Arbeitsplatz vor dem Zugang der Kündigung besetzt, so ist es dem Arbeitgeber gleichwohl nach dem Rechtsgedanken des § 162 BGB verwehrt, sich auf den Wegfall von Beschäftigungsmöglichkeiten im Kündigungszeitpunkt zu berufen, wenn dieser Wegfall treuwidrig herbeigeführt wurde (BAG, Urt. v. 5.6.2008 – 2 AZR 107/07, NZA 2008, 1180). Nach ständiger Rechtsprechung des BAG sind als "frei" grds. solche Arbeitsplätze anzusehen, die zum Zeitpunkt der Kündigung unbesetzt sind. Dem steht es gleich, wenn der Arbeitsplatz bis zum Ablauf der Kündigungsfrist frei wird (BAG, Urt. v. 1.3.2007 – 2 AZR 650/05, AP Nr. 614 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung).
Im Kündigungsschutzprozess gilt im Hinblick auf die Möglichkeit der Weiterbeschäftigung auf einem anderen Arbeitsplatz eine abgestufte Darlegungs- und Beweislast. Der Arbeitgeber genügt zunächst seiner Darlegungslast, wenn er allgemein vorträgt, eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers sei nicht möglich. Auf nähere Darlegungen des Arbeitnehmers, wie er sich eine anderweitige Beschäftigung vorstellt, muss der Arbeitgeber dann eingehend erläutern, aus welchem Grund eine Beschäftigung auf einem entsprechenden Arbeitsplatz nicht möglich gewesen sei (BAG, Urt. v. 24.3.1983 – 2 AZR 21/82, NJW 1984, 78; BAG, Urt. v. 15.8.2002 – 2 AZR 195/01, NZA 2003, 430). Dabei genügt es für die Darlegungen des Arbeitnehmers, wenn er angibt, welche Art der Beschäftigung gemeint ist. Der Arbeitnehmer muss im Allgemeinen keinen konkreten freien Arbeitsplatz benennen (BAG, Urt. v. 1.3.2007 – 2 AZR 650/05, AP Nr. 164 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung; BAG, Urt. v. 6.11.1997 – 2 AZR 253/97, NZA 1998, 833).
Hinweis:
Die Praxis zeigt, dass gerade die Frage nach und der Sachvortrag sowie Beweisantritt zu Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten in Kündigungsrechtsstreitigkeiten eine entscheidende Rolle spielt.
Von Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Joachim Holthausen, Köln
ZAP F. 17, S. 867–872