Zusammenfassung
Der Beitrag ist in zwei Teile aufgeteilt: Teil 1 behandelt die Voraussetzungen der betriebsbedingten Kündigung sowie die Kündigungserklärung, die Kündigungsfrist, Sonderkündigungsschutztatbestände sowie die diversen Konstellationen des Kündigungsgrunds. In Teil 2 (demnächst in ZAP 2020) stellt der Verf. die außerordentliche betriebsbedingte Kündigung mit Auslauffrist, die betriebsbezogene Sozialauswahl, den Interessenausgleich, Auswahlrichtlinien sowie die Voraussetzungen der Massenentlassung und der Kurzarbeit vor.
I. Voraussetzungen des allgemeinen Kündigungsschutzes
1. Betrieblicher Geltungsbereich (§ 23 KSchG)
Nach § 23 Abs. 1 S. 3 KSchG gelten in Betrieben, in denen i.d.R. nicht mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt werden (BAG, Urt. v. 19.7.2016 – 2 AZR 468/15, NZA 2016, 1196), die Vorschriften des Ersten Abschnitts des KSchG mit Ausnahme von dessen §§ 4 bis 7, 13 Abs. 1 S. 1 und S. 2 nicht für Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis nach dem 31.12.2003 begonnen hat. Für das Überschreiten des Schwellenwerts gem. § 23 Abs. 1 S. 2 bzw. S. 3 KSchG trägt der Arbeitnehmer die Beweislast. Einer größeren Sachnähe des Arbeitgebers und etwaigen Beweisschwierigkeiten des Arbeitnehmers ist durch eine abgestufte Darlegungslast Rechnung zu tragen. Die einen Betrieb i.S.d. § 23 KSchG konstituierende Leitungsmacht wird dadurch bestimmt, dass der Kern der Arbeitgeberfunktionen in personellen und sozialen Angelegenheiten von derselben institutionalisierten Leitung im Wesentlichen selbstständig ausgeübt wird. Entscheidend ist, wo schwerpunktmäßig über Arbeitsbedingungen und Organisationsfragen entschieden wird und in welcher Weise Einstellungen, Entlassungen und Versetzungen vorgenommen werden. Entsprechend der Unterscheidung zwischen "Betrieb" und "Unternehmen" in § 1 Abs. 1 KSchG ist der Betriebsbegriff auch in § 23 Abs. 1 KSchG nicht mit dem des Unternehmens gleichzusetzen (BAG, Urt. v. 2.3.2017 – 2 AZR 427/16, NZA 2017, 859).
2. Persönlicher Anwendungsbereich (§ 1 Abs. 1 KSchG und § 14 Abs. 2 KSchG)
Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist. Die Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG ist von der für die Kündigungsfrist maßgeblichen Probezeit nach § 622 Abs. 3 BGB abzugrenzen. In der Praxis werden die Begrifflichkeiten oftmals fehlerhaft synonym verwandt. Für die Beurteilung der Frage, ob der Tag des Abschlusses des Arbeitsvertrags zur Wartezeit zu zählen ist, ist der Wille der Vertragsparteien maßgebend. Dieser ist gem. §§ 133, 157 BGB durch Auslegung zu ermitteln. § 187 BGB kann gem. § 186 BGB als Auslegungsregel herangezogen werden (BAG, Urt. v. 27.6.2002 – 2 AZR 382/01, NZA 2003, 377). § 193 BGB findet auf die Berechnung der Wartezeit i.S.v. § 1 Abs. 1 KSchG keine Anwendung. Der Zeitraum von sechs Monaten verlängert sich deshalb nicht, wenn sein letzter Tag auf einen Sonntag, einen allgemeinen Feiertag oder einen Sonnabend fällt (BAG, Urt. v. 24.10.2013 – 2 AZR 1057/12, NZA 2014, 725).
Nach § 14 Abs. 2 KSchG finden auf Geschäftsführer, Betriebsleiter und ähnliche leitende Angestellte, soweit diese zur selbstständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt sind, die Vorschriften des Ersten Abschnitts des KSchG mit Ausnahme des § 3 KSchG Anwendung. § 9 Abs. 1 S. 2 KSchG findet mit der Maßgabe Anwendung, dass der Antrag des Arbeitgebers auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses keiner Begründung bedarf. Die Regelung schränkt den allgemeinen Kündigungs- und Bestandsschutz "echter" leitender Angestellter erheblich ein. Der leitende Angestellte i.S.d. § 14 Abs. 2 KSchG muss die Rechtsmacht haben, den Arbeitgeber selbstständig im Außenverhältnis zu anderen Arbeitnehmern zu verpflichten. Das Gebot der Rechtssicherheit verbietet ein über den Wortlaut hinausgehendes Verständnis des § 14 Abs. 2 KSchG. Die formelle Berechtigung zum Abschluss von Arbeitsverträgen und zum Ausspruch von Kündigungen ist regelmäßig leichter festzustellen, während eine zuverlässige rechtliche Gewichtung informeller Einflüsse auf Personalentscheidungen schwierig sein wird (BAG, Urt. v. 14.4.2011 – 2 AZR 167/10, AP Nr. 12 zu § 14 KSchG 1969).
II. Kündigungserklärung
Gemäß §§ 623, 126 BGB bedarf die betriebsbedingte Kündigung der Schriftform. Der Zugang der schriftlichen, formwirksamen Kündigungserklärung beim Arbeitnehmer ist für die Berechnung der 3-Wochen-Frist zur Erhebung der Kündigungsschutzklage nach § 4 KSchG maßgeblich und bedarf entsprechend sorgfältiger Prüfung. Bei einer Kündigung als einseitigem Rechtsgeschäft ist nach § 180 S. 1 BGB eine Vertretung ohne Vertretungsmacht unzulässig (BAG, Urt. v. 10.4.2014 – 2 AZR 684/13, NZA 2014, 1197). Nach § 174 S. 1 BGB ist ein einseitiges Rechtsgeschäft, das ein Bevollmächtigter einem anderen gegenüber vornimmt, unwirksam, wenn der Bevollmächtigte eine Vollmachtsurkunde nicht vorlegt und der andere das Rechtsgeschäft aus diesem Grund unverzüglich zurückweist. Folge der Zurückweisung i.S.d. § 174 S. 1 BGB ist die Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts. Eine Heilung oder Genehmigung nach § 177 BGB ...