Nach § 1629 Abs. 2 S. 2 BGB kann bei gemeinsamer elterlicher Sorge der Elternteil, in dessen Obhut sich das Kind befindet, Unterhaltsansprüche des Kindes gegen den anderen Elternteil geltend machen.
a) Begriff der Obhut
Für den Begriff der Obhut stellt das OLG Düsseldorf (FamRZ 2020, 343) mit der allgemeinen Meinung auf die tatsächlichen Betreuungsverhältnisse ab. Ein Kind befindet sich in der Obhut desjenigen Elternteils, der schwerpunktmäßig und vorrangig für das Kind sorgt und sich um dessen Unterhalt kümmert. Nicht erforderlich hierfür ist, dass der Elternteil mit dem Kind zusammenlebt. Auch wenn er das Kind bei einem Dritten unterbringt, kann er die Obhut über das Kind innehaben, sofern er die elementaren Lebensbedürfnisse des Kindes befriedigt oder sichert.
b) Keine Verfahrensstandschaft bei Einrichtung eines Wechselmodells
Im Hinblick auf den Wegfall der Grundlage der gesetzlichen Zuweisung der Vertretungsbefugnis nach § 1629 Abs. 2 BGB bei Einrichtung des Wechselmodells stellt das OLG Brandenburg (FamRZ 2020, 344 im Anschluss an BGH FamRZ 2013, 1565) klar, dass mit Einrichtung des Wechselmodells sowohl die Befugnis zur Geltendmachung des laufenden wie auch des rückständigen Kindesunterhalts entfällt, da damit die Grundlage für die gesetzliche Zuweisung entfällt.
Hinweis:
Nach der Rechtsprechung des BGH (vgl. FamRZ 2014, 917; vgl. auch: OLG Celle NJW 2020, 1231) wird im Fall eines Wechselmodells entweder die Bestellung eines Ergänzungspflegers erforderlich oder ist einem Elternteil gem. § 1618 BGB die Befugnis zur Geltendmachung des Kindesunterhalts zu übertragen.
c) Keine Befugnis zur Vereinbarung einer Unterhaltsrückübertragung
Gemäß § 33 Abs. 4 S. 1 SGB II können die Träger der Leistungen nach diesem Buch den auf sie übergegangenen Unterhaltsanspruch im Einvernehmen mit der Empfängerperson auf diese zur gerichtlichen Geltendmachung rückübertragen und sich den geltend gemachten Anspruch abtreten lassen. Der BGH (NJW 2020, 1881 m. Anm. Graba = MDR 2020, 732) stellt klar, dass das Vertretungsrecht des Obhutselternteils nach § 1628 Abs. 2 S. 2 BGB nicht die Befugnis umfasst, für sein Kind eine solche Vereinbarung zu treffen. Empfänger der Sozialleistung ist nur diejenige Person, die gegenüber dem Leistungsträger bezogen auf die empfangene Leistung auch Anspruchsinhaber ist. Auch durch eine Bevollmächtigung durch eine Bedarfsgemeinschaft zum Empfang der Sozialleistung nach § 38 Abs. 1 SGB II wird der Obhutselternteil nicht zum Anspruchsinhaber. Auch vom Wortlaut des § 1628 Abs. 2 S. 2 BGB wird eine Vereinbarung über den Abschluss einer Rückübertragung nicht erfasst. Als Ausnahme von der gemeinsamen Sorge ist er auch als Eingriff nur verhältnismäßig, soweit er der Durchsetzung bestehender Unterhaltsansprüche des Kindes dient.