Beispiel:
Ein einzelnes Mitglied einer Wohnungseigentümergemeinschaft wünscht sich die Zustimmung zur Herstellung einer Ladesäule, bzw. einer Wallbox, um für sich akkugestützte E-Mobilität (E-Auto, E-Roller, E-Bike) zu realisieren. Ein anderes Mitglied der Wohnungseigentümergemeinschaft oder auch der WEG-Verwalter fragen, ob man dem ohne Weiteres zustimmen müsse oder z.B. vorher den nachgewiesenen Abschluss einer Haftpflichtversicherung verlangen könne. Denn schließlich könnten doch die Akkus bei der Ladung oder beim Betrieb in Brand geraten und sogar explodieren.
Ladeinfrastruktur zur Herstellung von E-Mobilität ist als privilegierte bauliche Veränderung zu verstehen. Privilegiert sind diese Maßnahmen deshalb, weil auch dem einzelnen Eigentümer Individualansprüche auf Herstellung, bzw. auf Duldung solcher baulicher Veränderungen zugestanden werden (§ 20 Abs. 2 S. 1 WEG n.F.) und deshalb einzelne Eigentümer sogar gegen die Mehrheit entsprechende Ansprüche durchsetzen können, wenn sie dafür die Kosten übernehmen. § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 WEG zeigt die Herstellung oder Verbesserung einer Ladeinfrastruktur zur Nutzung von E-Mobilität als privilegierte bauliche Veränderung (BT-Drucks 19/18791, S. 63 f).
Der Anspruch umfasst alle baulich notwendigen Maßnahmen zur Herstellung und deckt damit Eingriffe in die Stromversorgung oder in die Telekommunikationsinfrastruktur ab, damit die Lademöglichkeiten sinnvoll genutzt werden können. Gemeint sind die Ersteinrichtung genauso wie die Verbesserung vorhandener Lademöglichkeiten (BT-Drucks 19/18791, S. 63, letzter Abs.).
Er setzt das Recht zum Abstellen eines Elektrofahrzeugs (Sondereigentum, Sondernutzungsrecht, Recht zum Mitgebrauch) an der begehrten Stromtankstelle voraus; ansonsten ist die Forderung „unangemessen” (BT-Drucks 19/18791, S. 64, 3. Abs.).
Dabei kann das „ob” der privilegierten Baumaßnahme verlangt werden, über das „wie” entscheidet aber die Gemeinschaft im Rahmen ordnungsmäßiger Verwaltung mit Ermessensspielraum (§ 20 Abs. 2 S. 2 WEG n.F.). Dies bezieht sich auf Ausführungsdetails genauso wie auf ausführende Unternehmen/Personen (BT-Drucks 19/18791, S. 65). Hier sind zweierlei Konstellationen denkbar:
- Die Gemeinschaft beschließt, dem einzelnen Eigentümer die verlangte Baumaßnahme zu gestatten.
- Wird dazu ein Beschluss nicht gefasst oder wird das durch Negativbeschluss abgelehnt, steht dem einzelnen Eigentümer die Beschlussersetzungsklage, beim Negativbeschluss kombiniert mit einem Anfechtungsantrag, zur Verfügung (bisher § 21 Abs. 8 WEG, jetzt § 44 Abs. 1 S. 2 WEG n.F.). Selbstverständlich muss er dazu die tatsächlichen Voraussetzungen unter Beweisantritt vortragen (Deutscher Bundestag, Drucks 19/18791, S. 63). Der Klageantrag muss lediglich die begehrte bauliche Maßnahme („ob”) bezeichnen, der gerichtliche Titel ergänzt dann das „wie” (BT-Drucks 19/18791, S. 65).
Die verlangten Maßnahmen müssen „angemessen” sein (§ 20 Abs. 2 S. 1 WEG n.F.). Objektiv unangemessene Forderungen können damit zurückgewiesen werden. Die Bewertung ist einzelfallabhängig (BT-Drucks 19/18791, S. 63). Zur Illustration soll nachfolgendes Beispiel angeführt werden:
Beispiel:
Hat der Eigentümer, der die Duldung einer Ladesäule begehrt, nicht das Recht, ein zu ladendes Fahrzeug für die Zeit des Ladevorgangs im Bereich des gemeinschaftlichen Eigentums abzustellen, ist die Herstellung einer Lademöglichkeit in diesem Bereich nicht angemessen (BT-Drucks 19/18791, S. 64, 3. Abs.). Die Gesetzesbegründung wörtlich: „Ein Anspruch besteht deshalb i.d.R. nur, wenn der Wohnungseigentümer das Recht hat, das zu ladende Fahrzeug im Bereich der begehrten Lademöglichkeit abzustellen. Keine Rolle spielt es, ob sich dieses Recht aus dem Sondereigentum, einem Sondernutzungsrecht oder lediglich dem Recht zum Mitgebrauch einer gemeinschaftlichen Abstellfläche ergibt.”
Etwa gesehene Kapazitätsprobleme bei nachträglicher Erweiterung von Ladeinfrastruktur spielen keine Rolle und machen einen geltend gemachten Anspruch nicht unangemessen (BT-Drucks 19/18791, S. 64, 2. und 4. Abs.). Dem kann begegnet werden durch
- einen Beschluss zur zeitlichen Nutzung,
- durch ein Lastmanagementsystem, das nach den Vorgaben des Messstellenbetriebsgesetzes oder nach § 14a des Energiewirtschaftsgesetzes (Flexibilitätsmechanismus) die Auslastung des örtlichen Verteilernetzes intelligent steuert, oder durch die
- Erweiterung der Hausanschlussleitung (BT-Drucks 19/18791, S. 64, 4. Abs.).