a) Rückführung eines Pflegekindes in den Elternhaushalt
Das BVerfG (FamRZ 2023, 280) betont erneut, dass eine räumliche Trennung des Kindes von seinen Eltern gegen deren Willen den stärksten Eingriff in das Elterngrundrecht darstellt, der nur unter strikter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erfolgen oder aufrechterhalten werden darf. Grundsätzlich muss die Rückkehr eines Kindes zu den Eltern auch nach längerer Fremdunterbringung möglich bleiben. Die mit einem Wechsel der Hauptbezugsperson immer verbundenen Belastungen dürfen nicht automatisch eine Rückführung dauerhaft ausschließen. Auch wenn die Kinder mehrere Bindungsabbrüche erlebt haben – im entschiedenen Fall durch Suizid der Mutter und eine schwere depressive Phase des Vaters – und die Gefahr einer Bindungsstörung der Kinder durch das schwierige Verhältnis zwischen dem rechtlichen Elternteil und den Pflegeeltern besteht, dürfen die Spannungen nicht ohne Weiters zulasten des rechtlichen Elternteils gehen. Der Staat hat Sorge dafür zu tragen, dass durch geeignete Maßnahmen die Möglichkeit einer Rückkehr ohne Kindeswohlgefährdung eröffnet wird.
b) Keine Rückführung in ein Kriegsgebiet
Das OLG Stuttgart (FamRZ 2023, 139 = FamRB 2023, 60 m. Hinw. Hanke) hat den Antrag auf Rückführung eines von einem Elternteil nach Deutschland entführten minderjährigen Kindes in die Ukraine zurückgewiesen. Einer Rückführung steht Art. 13 Abs. 1 lit. b HKiEntÜ (Haager Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung) entgegen. Wegen der Kampfhandlungen in der Ukraine besteht für das Kind die Gefahr eines schwerwiegenden körperlichen oder seelischen Schadens im Sinne dieser Vorschrift. Die Gefahr besteht derzeit auf dem gesamten Staatsgebiet der Ukraine.
Hinweis:
Eine Rückführung kommt nach Art. 12 HKiEntÜ nur in das Land des bisherigen gewöhnlichen Aufenthalts in Betracht, nicht in einen Drittstaat.
c) Wegzug ohne Zustimmung des mitsorgeberechtigten Elternteils
In einem einstweiligen Anordnungsverfahren hatte das OLG Stuttgart (FamRZ 2023, 702 m. Anm. Keuter) einen Streit über das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu entscheiden, in dem die Mutter gegen den Willen des Vaters mit den Kindern von Süddeutschland nach Norddeutschland gezogen war, weil nach ihrer Behauptung eine Kindesgefährdung durch den Vater zu befürchten war.
Gemeinsam sorgeberechtigte Eltern dürfen nur einvernehmlich den Aufenthalt ihrer Kinder ändern (§ 1627 BGB). Nach h.M. gibt aber eine Zuwiderhandlung dem übergangenen Elternteil noch keinen Herausgabeanspruch gegen den anderen Elternteil. Um einen je nach Ausgang des Hauptverfahrens sich ergebenden Mehrfachwechsel zu vermeiden, hat das OLG der Mutter das Aufenthaltsbestimmungsecht zugesprochen und ausgeführt, dass auch bei einem widerrechtlichen Umzug die Entscheidung nicht an einer Sanktion des Fehlverhaltens eines Elternteils, sondern vorrangig am Kindeswohl zu orientieren ist.
Hinweis:
Eine eigenmächtige Trennung des Kindes vom anderen Elternteil kann aber insoweit Berücksichtigung finden, als sie Rückschlüsse auf eine konkrete Einschränkung der Erziehungsfähigkeit zulässt.