In einem bei einem Landgericht seit Jahren laufenden Verfahren entstand eine überraschende Situation, bei der die Einzelrichterin einen mehrseitigen „Hinweisbeschluss” an die Parteien übermittelte und darin umfangreiche Überlegungen zur Beweislast, zu strittigen Beweisfragen und zum weiteren Verlauf des streitigen Verfahrens anstellte. Sie bezog sich auf die aktuellen Vorschriften des Werkvertragsrechts des BGB. Dieses Recht war 2018 umfangreich verändert worden und gilt für Verträge ab 2018. Aus den Prozessakten war erkennbar, dass der relevante Vertrag aus 2015 stammt.
Zuvor gab es insoweit eine weitere Pointe dahin, dass die Richterin den Parteien einen Beschluss zur Verlängerung einer Frist übermittelt hatte und sich auf einen nicht existierenden Antrag einer der Parteien berief. Darauf hingewiesen, gab es einen neuen Beschluss unter Angabe der diesmal zutreffenden Partei als Antragstellerin. Darin hieß es, „aufgrund eines offensichtlichen Schreibversehens” sei der neue Beschluss ergangen.
Bekanntlich wird auch ein Beschluss zur Verlängerung einer Frist zur Stellungnahme ordnungsgemäß von der Richterin diktiert, zur Schreibstelle übermittelt, anschließend von der Richterin gelesen, abgezeichnet und zur Poststelle zwecks Versendung freigegeben.
Wegen beider falschen Rechtsanwendungen wurde eine ausführlich begründete Dienstaufsichtsbeschwerde (DAB) gegen die Richterin eingelegt. Die Beschwerdeentscheidung erfolgte sieben Wochen später.
Darin berichtet der Bearbeiter, zuständig hierfür ist der LG-Präsident oder dessen Vertreter, die Richterin habe intern eingeräumt, dass der Einwand der falschen Rechtsanwendung zutreffe, sie weise aber darauf hin, „es wäre eine Korrektur auf entsprechenden Vortrag hin ohne Weiteres vorgenommen worden, inhaltlich ändere sich dadurch nichts”. Der Bearbeiter schloss sich dieser Äußerung der Richterin kritiklos an.
Die zitierte Feststellung ist nach Ansicht des Verf. in sich widersprüchlich und rechtlich falsch. Entgegen den falschen Behauptungen der Richterin und des Beschwerdebearbeiters ergibt sich rechtlich faktisch das genaue Gegenteil. Ein Blick auf die Gesetzesfassungen zeigt, dass der Hinweisbeschluss substanzlos und rechtswidrig ist. Dies zeigt zugleich die unzureichende Prüfung und Bewertung durch den Bearbeiter der DAB selbst und legt die Frage nahe, ob hierbei überhaupt beabsichtigt war, einen Grund für aufsichtsrechtliches Einschreiten zu finden.
Der Bearbeiter stellte lapidar fest, dass ein Anlass für Maßnahmen der Dienstaufsicht „ersichtlich” nicht bestehe und setzte fort, „dass sie maßgebliche Vorschriften in einer nicht zutreffenden Fassung zitiert hat (ohne dass dies inhaltliche Auswirkungen hatte), habe die Richterin vorbehaltlos eingeräumt”. Er, der Bearbeiter, vermöge „nicht ansatzweise” die Einschätzung zu teilen, dass der Richterin hier ein „schwerer Verfahrensfehler” unterlaufen sei.
Der gesamte Vorgang ist nicht nur als Realsatire und als Ausflug ins juristische Niemandsland, sondern auch als eklatantes Versagen bei der Aufsicht zu bezeichnen. Das Schriftwerk des Bearbeiters besteht weitestgehend aus zusammenhanglos vorgestanzten Phrasenfragmenten, mit denen die Beschwerdeführer möglichst schnell abgefertigt werden sollen. Das stellt einen schweren Verstoß gegen die gesetzlichen Aufgaben der Aufsicht dar. Bei Überlegungen zu den Gründen eines solchen Versagens fallen einem zunächst nur die Begriffe vorsätzlicher Rechtsbruch, intellektuelle Zentralverriegelung oder vollendetes Peters-Prinzip ein. Auch Erinnerungen an Kafka melden sich nachhaltig.
Der Beschwerdeführer einer Dienstaufsichtsbeschwerde hat Anspruch auf eine unabhängige, umfassende, sorgfältige, sachlich und rechtlich nachvollziehbare Prüfung und Bewertung der in der Beschwerde vorgebrachten sachlichen, fachlichen und rechtlichen Gründe. Die Entscheidung muss vollständig begründet sowie alle monierten Rechtsverstöße geprüft und bewertet werden. Inhaltslose Phrasen und entsprechende Textbausteine werden diesen Kriterien nicht gerecht. Eine juristisch akzeptable Entscheidung liegt bereits dann nicht vor, wenn nachgewiesene Vorwürfe nicht ordnungsgemäß kontrolliert und deren Ergebnis nur oberflächlich oder ohne jede Begründung kommentiert werden. Diesen Anforderungen vermag der Beschwerdebescheid im Ergebnis in keiner Weise auch nur ansatzweise zu entsprechen.
Kürzlich war in der Presse (Badische Zeitung vom 13.2.2023) als Überschrift die Äußerung eines früheren Präsidenten des LG Freiburg zu lesen: „Das Landgericht Freiburg ist ein Sanierungsfall”. Dem ist offensichtlich nichts hinzuzufügen.
Auf der Internetseite des zuständigen Ministeriums finden sich anspruchsvoll formulierte Aufgaben, Zuständigkeiten, Grundsätze und Zielsetzungen, insb. Hinweise zu den organisatorischen, personellen und infrastrukturellen Voraussetzungen für die Gerichte. Verwiesen wird zutreffend auf die dem Ministerium obliegende Dienstaufsicht und die sich aus der verfassungsrechtlich garantierten richterlichen Unabhängigkeit er...