Entscheidungsstichwort (Thema)
Anfechtung einer Maßnahme der Dienstaufsicht. Vorhaltungen und Ermahnungen gegen einen Richter. Rechtsweg. Zulässigkeit. Antrag auf gerichtliche Entscheidung. Dienstaufsichtsrechtliche Maßnahme
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein Vorhalt oder eine Ermahnung gegen einen Richter hat nicht automatisch eine Beeinträchtigung seiner richterlichen Unabhängigkeit zur Konsequenz.
2. Ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung durch den Dienstgerichtshof ist insoweit nur zulässig, wenn der antragstellende Richter eine Verletzung seiner richterlichen Unabhängikeit durch die dienstaufsichtsrechtliche Maßnahme nachvollziehbar behauptet.
Normenkette
DRiG § 26 Abs. 3
Verfahrensgang
OLG Naumburg (Urteil vom 05.12.2001) |
Tenor
Die Revision des Antragstellers gegen das Urteil des Dienstgerichtshofs für Richter bei dem Oberlandesgericht Naumburg vom 5. Dezember 2001 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß der Antrag des Antragstellers vom 15. Februar 2000 als unzulässig verworfen wird.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Antragsteller begehrt die Feststellung der Unzulässigkeit einer Verfügung des Antragsgegners vom 16. September 1999, mit welcher dieser ihm drei Vorhalte gemacht sowie zwei Ermahnungen ausgesprochen hat; er meint, dadurch in „seinen Rechten” verletzt worden zu sein.
Der Antragsteller war Direktor des inzwischen aufgelösten Amtsgerichts G. . Zwischen ihm und der an diesem Gericht als Jugendrichterin tätigen Richterin am Amtsgericht K. bestanden unterschiedliche Ansichten über die Erforderlichkeit besonderer Sicherheitsmaßnahmen in zwei von ihr verhandelten Verfahren. Mit Verfügung vom 11. Mai 1999 teilte der Antragsteller der Richterin unter anderem folgendes mit:
„Zum Hauptverhandlungstermin am 11.05.1999 haben Sie nunmehr sicherheitliche Maßnahmen angeordnet, die sitzungspolizeiliche Befugnisse überschreiten, ohne dass der Direktor davon in Kenntnis gesetzt worden wäre.
…
Ihr Verlangen an die Staatsanwaltschaft nach dem Hauptverhandlungstermin vom 04.05.1999, dass sicherheitliche Bedenken lediglich zum Strafrichter und nicht zum Direktor des Amtsgerichtes mitgeteilt werden, ist der Sache nach zu beanstanden.”
Die Richterin war der Ansicht, daß sie für die sitzungspolizeilichen Maßnahmen in und unmittelbar vor dem Sitzungssaal allein zuständig sei. Sie wandte sich mit Schreiben vom 28. Mai 1999 an den Antragsgegner und rügte unter anderem die Einmischung des Antragstellers in ihre richterlichen Tätigkeiten.
Der Antragsgegner wertete dieses Schreiben als Dienstaufsichtsbeschwerde und gab dem Antragsteller Gelegenheit zur Äußerung. In seiner Stellungnahme vom 18. Juni 1999 wies der Antragsteller den Vorwurf zurück, in die richterliche Unabhängigkeit der Richterin eingegriffen zu haben. Er führte weiter aus, die „ungehaltene und insouveräne Beschwerde der Richterin ist ein Abbild ihrer übrigen Amtsführung”.
Nachdem der Antragsteller einer Einladung des Antragsgegners zu einem Gespräch kommentarlos nicht gefolgt war, hielt ihm der Antragsgegner mit der Verfügung vom 16. September 1999 gemäß § 26 Abs. 2 DRiG vor, mit Verfügung vom 11. Mai 1999 als Direktor des Amtsgerichts G. unter Überschreitung seiner Kompetenzen der Richterin am Amtsgericht K. eine unzulässige dienstrechtliche Vorhaltung gemacht, eine sitzungspolizeiliche Maßnahme der Richterin beanstandet, dadurch in ihre richterliche Unabhängigkeit eingegriffen und in seiner Stellungnahme vom 18. Juni 1999 unter Verstoß gegen das Gebot der Mäßigung und Zurückhaltung ein abfälliges Werturteil über die richterliche Amtstätigkeit der Richterin gefällt zu haben. Er ermahnte ihn, künftig dienstaufsichtliche Maßnahmen in Bezug auf die sitzungspolizeilichen Entscheidungen der Richterin am Amtsgericht K. zu unterlassen sowie in dienstlichen Stellungnahmen seine Pflicht zur Mäßigung und Zurückhaltung zu beachten und sich nicht herabsetzend über die Amtsführung dieser Richterin zu äußern.
Gegen diese Verfügung hat der Antragsteller mit Schreiben vom 17. November 1999 Widerspruch eingelegt. Er hat in Abrede gestellt, der Richterin Vorhalte im Rahmen der Dienstaufsicht gemacht zu haben; es sei ihm lediglich um die Abgrenzung der sitzungspolizeilichen Befugnisse der Richterin nach § 176 GVG von den ihm als Behördenleiter und Hausrechtsinhaber obliegenden Befugnissen gegangen. Mit der ihm vorgehaltenen Äußerung in seiner dienstlichen Stellungnahme habe er die Richterin nicht beleidigen wollen, sondern lediglich ihr Verhalten kritisch gewertet.
Diesen Widerspruch hat die Präsidentin des Oberlandesgerichts Naumburg mit Bescheid vom 18. Januar 2000 zurückgewiesen, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird.
Daraufhin hat der Antragsteller den Dienstgerichtshof für Richter angerufen und in der mündlichen Verhandlung beantragt,
die Verfügung des Präsidenten des Landgerichts Stendal vom 16. September 1999 als unzulässig festzustellen.
Zur Begründung seines Antrags hat er im wesentlichen auf seine Widerspruchsbegründung verwiesen und diese vertieft.
Der Dienstgerichtshof für Richter hat den Antrag zurückgewiesen. Zur Begründung hat er im wesentlichen ausgeführt: Der Antrag sei, obwohl der Antragsteller nicht ausdrücklich behauptet habe, durch die Verfügung des Antragsgegners in seiner richterlichen Unabhängigkeit verletzt worden zu sein, zulässig, da der Vortrag, der Vorhalt des Antragsgegners sei rechtswidrig und „verletze” den Antragsteller „in seinen Rechten” und die „schriftliche Mißbilligung” sei „ebenfalls nicht gerechtfertigt”, noch als ausreichend im Sinne eines Rechtsschutzbedürfnisses anzusehen sei. Der Antrag sei jedoch unbegründet, da der Antragsteller die vom Antragsgegner beanstandeten Maßnahmen in seiner Eigenschaft als Direktor des Amtsgerichts G. und nicht im Rahmen seiner richterlichen Tätigkeit getroffen habe. Auch soweit dem Antragsteller eine herabsetzende Äußerung aus seiner dienstlichen Stellungnahme vom 18. Juni 1999 vorgehalten und Ermahnungen hinsichtlich seines künftigen Verhaltens erteilt worden seien, stehe dies in keiner Beziehung zu seiner richterlichen Tätigkeit. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.
Gegen diese Entscheidung wendet sich der Antragsteller mit seiner auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Er beanstandet insbesondere, daß der Dienstgerichtshof nicht darauf eingegangen sei, daß es sich bei den angefochtenen Maßnahmen des Antragsgegners nicht um Vorhalte und Ermahnungen im Sinne des § 26 Abs. 2 DRiG handele, sondern um eine schriftliche Mißbilligung, die auch dann keine zulässige Maßnahme der Dienstaufsicht sei, wenn sie – wie hier – eine nichtrichterliche Tätigkeit eines Richters betreffe. Er beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und nach dem Klageantrag zu erkennen.
Der Antragsgegner beantragt,
die Revision des Antragstellers zurückzuweisen.
Wegen der näheren Einzelheiten des Vorbringens wird auf die Revisionsbegründung vom 8. Mai 2002 und die Revisionserwiderung vom 4. Juni 2002 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision (§ 80 Abs. 2 DRiG) ist unbegründet.
I.
Entgegen der Ansicht des Dienstgerichtshofs ist der Antrag des Antragstellers nicht nur unbegründet, sondern bereits unzulässig.
1. Nach § 26 Abs. 3 DRiG i.V.m. § 56 Nr. 1 RiG LSA ist der Antrag auf gerichtliche Entscheidung nur dann zulässig, wenn der Richter behauptet, durch eine Maßnahme der Dienstaufsicht in seiner richterlichen Unabhängigkeit beeinträchtigt zu sein.
Bei den vom Antragsteller beanstandeten Vorhalten und Ermahnungen des Antragsgegners handelt es sich um Maßnahmen der Dienstaufsicht (§ 26 Abs. 2 DRiG). Die weiter erforderliche Behauptung des Richters, durch die Maßnahme in seiner richterlichen Unabhängigkeit beeinträchtigt zu sein, darf einerseits nicht aus der Luft gegriffen, sondern muß einleuchtend und nachvollziehbar sein (st. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 31. Januar 1984 – RiZ (R) 3/83, BGHZ 90, 41, 43; Urteil vom 4. Dezember 1989 – RiZ (R) 5/89, NJW 1991, 425 f.); andererseits dürfen an die Darlegung keine überzogenen Anforderungen gestellt werden (vgl. BGH, Urteil vom 29. Oktober 1993 – RiZ (R) 1/93, DRiZ 1994, 141, 142 m.w.N.).
Eine solche Rechtsverletzung hat der Antragsteller weder in seiner Antragsschrift vom 15. Februar 2000 noch in seiner Antragsbegründung vom 16. Juli 2001 geltend gemacht; auch in seinem Schriftsatz vom 27. November 2001, der Ausführungen zur Zuständigkeit des angerufenen Dienstgerichtshofs enthält, behauptet der Antragsteller eine solche Verletzung nicht. Zwar hat er in seiner Widerspruchsbegründung, auf die in der Antragsbegründung verwiesen wird, eine Nachprüfung im „Verfahren nach § 26 Abs. 3 DRiG” begehrt, da der Vorhalt des Antragsgegners rechtswidrig sei und ihn in „seinen Rechten” verletze. In diesem Vortrag kann aber angesichts der Besonderheiten des vorliegenden Falles entgegen der Ansicht des Dienstgerichtshofs nicht eine nachvollziehbare Behauptung der Verletzung der richterlichen Unabhängigkeit des Antragstellers gesehen werden.
Zwar wird, wenn gegen einen Richter ein Vorhalt ohne eine oder mit einer Ermahnung ausgesprochen worden ist, grundsätzlich nicht zweifelhaft sein, daß er dadurch möglicherweise in seiner richterlichen Unabhängigkeit beeinträchtigt worden ist (vgl. BGH, Urteil vom 29. Oktober 1993 – RiZ (R) 1/93, DRiZ 1994, 141, 142). Dies gilt jedoch nicht, wenn sich der Vorhalt und die Ermahnung nicht auf die richterliche Tätigkeit, sondern auf Aufgaben der Gerichtsverwaltung beziehen (vgl. Schmidt-Räntsch, Deutsches Richtergesetz, 5. Aufl. § 26 Rdn. 19 m.w.N.). Der Antragsgegner hat dem Antragsteller – zu Recht – vorgehalten, der Richterin am Amtsgericht K. ihm nicht zustehende dienstrechtliche Vorhalte gemacht, dadurch seine Kompetenzen als Direktor des Amtsgerichts überschritten, unzulässigerweise als Behördenleiter in die richterliche Unabhängigkeit der Richterin eingegriffen und in seiner Stellungnahme als Direktor des Amtsgerichts ein abfälliges Werturteil über die richterliche Tätigkeit der Richterin gefällt zu haben. Die Vorhalte und Ermahnungen des Antragsgeg-ners betreffen ausschließlich die Tätigkeit des Antragstellers als Direktor des Amtsgerichts. In seiner Funktion als Behördenleiter unterstand der Antragsteller dem Antragsgegner als Vorgesetzten und unterlag dessen uneingeschränkter Dienstaufsicht. Daß die angegriffenen dienstaufsichtlichen Maßnahmen des Antragsgegners neben diesem Bereich auch die richterliche Unabhängigkeit des Antragstellers beeinträchtigen könnten, ist nicht nachvollziehbar dargetan.
2. Aus diesem Grunde kommt es auch nicht darauf an, ob, wie der Antragsteller in der Revision geltend macht, eine schriftliche Mißbilligung des Dienstvorgesetzten vorliegt. Denn auch in einem solchen Falle bedarf es der nachvollziehbaren Behauptung, daß der Antragsteller dadurch in seiner richterlichen Unabhängigkeit beeinträchtigt wird (vgl. BGH, Urteil vom 31. Januar 1984 – RiZ (R) 4/83, BGHZ 90, 34, 38). Abgesehen davon fehlt es entgegen der Revision an einer schriftlichen Mißbilligung. Der Dienstvorgesetzte hat hier ausdrücklich Vorhalte und Ermahnungen ausgesprochen.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 80 Abs. 1 Satz 1 DRiG i.V.mit § 154 Abs. 2 VwGO.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren entsprechend § 13 Abs. 1 Satz 2, § 14 Abs. 1 Satz 1 GKG auf 4.000 EUR festgesetzt.
Unterschriften
Nobbe, Solin-Stojanović, Joeres, Kniffka, Mayen
Fundstellen
Haufe-Index 929661 |
NJOZ 2003, 1111 |