Das Bundesjustizministerium hat sich in Abstimmung mit den Bundestagsfraktionen von SPD, Grünen, FDP und CDU/CSU auf einen verbesserten Schutz des Bundesverfassungsgerichts verständigt. Damit soll auch für den Fall, dass im Parlament antidemokratische Kräfte an Stärke gewinnen, das Verfassungsgericht unabhängig und arbeitsfähig bleiben (vgl. dazu zuletzt ZAP 2024, 244).
In einem im Juli vorgelegten Arbeitspapier legten das Ministerium und die Fraktionen dar, wie sie sich eine verbesserte Resilienz des Karlsruher Gerichts vorstellen. Danach soll eine Reihe von Regelungen vom einfachen Gesetzesrecht auf die Ebene der Verfassung gehoben werden, um zu verhindern, dass in den Status und die Arbeit des Gerichts mit einfacher Parlamentsmehrheit eingegriffen werden kann. Das sind insb.:
- die Amtszeit der Richter (12 Jahre),
- die Altersgrenze der Richter (68 Jahre),
- die Zahl der Richter (16),
- die Zahl der Senate (2),
- der Ausschluss der Wiederwahl der Richter,
- die Fortführung der Amtsgeschäfte bis zur Wahl eines Nachfolgers,
- die Bindungswirkung der Entscheidungen des Gerichts und
- die Geschäftsordnungsautonomie des Gerichts.
Geeinigt hat man sich in Berlin nach längerer Diskussion auch auf ein Verfahren für den Fall, dass eine starke parlamentarische Kraft die Neuwahl von Verfassungsrichtern behindert. Für die Richterwahl ist derzeit und auch künftig eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag und Bundesrat erforderlich und eine Blockade somit leicht möglich. Für diesen Fall soll die Möglichkeit geschaffen werden, dass das Wahlrecht auch durch das jeweils andere Wahlorgan ausgeübt werden kann. In das Grundgesetz soll dazu eine Öffnungsklausel eingefügt werden, die darin besteht, dass ein Ersatzwahlmechanismus zum Tragen kommt: Kann sich ein Wahlorgan nicht auf einen Kandidaten einigen oder wird die Wahl durch eine Sperrminorität blockiert, schlägt das BVerfG drei Kandidaten vor. Hat das betreffende Wahlorgan nach drei Monaten dann immer noch keinen Nachfolger gewählt, kann auch das andere Wahlorgan an seiner Stelle einen Richter wählen. Mit anderen Worten: Beide Wahlorgane bleiben weiterhin gleichermaßen zur Wahl berechtigt; zum Zuge kommt im Fall einer Blockade aber das Organ, in dem die Wahl zuerst gelingt.
Auf der Basis dieses Konzepts soll nun zeitnah aus der Mitte des Bundestages ein konkreter Gesetzentwurf eingebracht werden. Ziel sei es, das Gesetzgebungsverfahren für mehr Resilienz des BVerfG noch in dieser Legislaturperiode zum Abschluss zu bringen, verlautete aus dem BMJ. Aus Anwaltschaft und Justiz kam bereits Zustimmung, wenngleich weitere Forderungen erhoben wurden. So mahnte etwa der Deutsche Anwaltverein an, die Länderkammer noch stärker einzubinden: In Staaten wie Polen, Ungarn und der Türkei habe sich gezeigt, dass es viele Verfahrenskniffe gebe, um Verfassungsgerichte zunächst lahmzulegen, noch bevor sie „gleichgeschaltet” würden. Es sei deshalb nötig, dass auch die wesentlichen Verfahrens- und Wahlregelungen einer Zustimmung des Bundesrates bedürfen. Auch die Neue Richtervereinigung (NRV) erhebt weitergehende Änderungswünsche: Die ganz überwiegende Zahl der Verfahren ende unterhalb der Ebene des Bundesverfassungsgerichts, argumentiert die NRV. Daher müsse dringend auch die Justiz unterhalb des BVerfG vor politischem Einfluss geschützt werden. In den allermeisten Staaten der EU gebe es die in Deutschland bestehende Abhängigkeit der Justiz von der Exekutive nicht; sie solle deshalb auch hierzulande endlich abgeschafft werden.
[Quellen: BMJ/DAV/NRV]