Einheitliches Europäisches Patentgericht (EPG) ist gestartet

Die Vielstaaterei bei Patentstreitigkeiten innerhalb der EU hat ein Ende. Anfang Juni hat das Europäische Patentgericht (EPG) seine Arbeit aufgenommen. Parallele Patentklagen in verschiedenen EU-Staaten werden damit überflüssig.

Das EPG entscheidet künftig einheitlich über Patent- und Patentverletzungsstreitigkeiten mit unmittelbarer Wirkung für die angeschlossenen 17 Mitgliedstaaten. Dies bedeutet einen universellen Patentschutz innerhalb der EU und damit mehr Sicherheit, insbesondere für innovative Unternehmen mit einer Vielzahl von Patentanmeldungen.

EPG seit 1. Juni am Start

Das gemeinsame Übereinkommen über ein einheitliches Patentgericht (EPGÜ) wurde am 17.2.2023 in Deutschland ratifiziert und ist am 1.6.2023 in Kraft getreten. Die Ratifizierung hatte sich in Deutschland verzögert, nachdem das BVerfG das Gesetz zunächst für nichtig erklärt hatte, da es wegen der Übertragung staatlicher Hoheitsrechte auf das EPG nicht mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit des Bundestags beschlossen worden war (BVerfG, Beschluss v. 13.2.2020, 2 BvR 739/17).

Noch nicht alle EU-Mitgliedstaaten beigetreten

Unmittelbare Wirkung hat das Abkommen zunächst in den 17 Mitgliedstaaten Deutschland, Frankreich, Belgien, Bulgarien, Dänemark, Estland, Finnland, Italien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta, Niederlande, Österreich, Portugal, Schweden und Slowenien. Die übrigen EU-Mitgliedstaaten können in Zukunft ebenfalls beitreten.

Ausschließliche Gerichtszuständigkeit mit langer Übergangsfrist

Das EPG ist ausschließlich für Einheitspatente sowie für klassische europäische Patente zuständig. Es bietet Patentinhabern eine wirksame Möglichkeit, gegen Verletzungen ihrer Patentrechte mit Wirkung für die Mitgliedstaaten vorzugehen.

  • Patentklagen und Nichtigkeitsklagen können gemäß Art. 83 EPGÜ während einer Übergangsfrist von 7 Jahren (mit Verlängerungsmöglichkeit für weitere 7 Jahre) weiterhin auch bei den nationalen Gerichten erhoben werden.
  • Bis zum Ablauf dieser Übergangszeit wird Patentanmeldern zusätzlich die Option eingeräumt, für ihre angemeldeten Patente die Zuständigkeit des EPG auszuschließen (Opt-Out-Verfahren).

Vollelektronisches Case-Management

Das EPG besitzt eine eigene Prozessordnung, die sich an den aktuellen technischen Möglichkeiten orientiert. Die Gerichtsakten werden vollelektronisch in einem sogenannten Case-Management-System geführt. Die Entscheidungen des Gerichts ergehen ebenfalls in elektronischer Form bzw. werden elektronisch versandt.

Zwei Instanzzüge

Die Zentralkammer für die 1. Instanz des Gerichts sitzt in Paris. Eine Außenstelle befindet sich in München. Erstinstanzliche regionale Kammern haben in Deutschland ihren Sitz in Düsseldorf, Hamburg, Mannheim und München. Das zweitinstanzlich zuständige Berufungsgericht hat seinen Sitz in Luxemburg. Eine Mediationskammer sowie ein Schiedszentrum für Patentsachen zur Erzielung gütlicher Einigungen werden in Lissabon und Ljubljana eingerichtet.

Hohe Qualitätsstandards für Richterstellen

Die Richterinnen und Richter kommen aus den teilnehmenden Mitgliedstaaten. Sie sind entweder juristisch und/oder technisch qualifiziert. Die Richterinnen und Richter müssen einen hohen Wissensstand und insbesondere Erfahrung in Patentstreitigkeiten haben. Sie müssen mindestens eine der Amtssprachen des Europäischen Patentamts (EPA) beherrschen. Jedes Gerichtsgremium ist multinational zusammengesetzt.

Auswahlverfahren

Die Richterstellen am EPG werden öffentlich ausgeschrieben. Bewerber richten ihre Bewerbungen unmittelbar an das Gericht. Nach einem ersten Auswahlverfahren und nach Gesprächen mit den vorausgewählten Kandidaten erstellt ein beratender Ausschuss, der sich aus Patentrichtern und Praktikern im Patentrecht zusammensetzt, eine Liste der am besten geeigneten Kandidaten für die Ernennung zum Richter. Aus dieser Liste wählt der Verwaltungsausschuss des EPG die zu ernennenden Richter im gegenseitigen Einvernehmen aus. Die Namen der ernannten Richter werden auf der Webseite des Gerichts veröffentlicht.

Welche Anwälte werden zum EPG zugelassen?

Als Prozessvertreter dürfen vor dem EPG Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte aus den Vertragsstaaten sowie europäische Patentanwältinnen und Patentanwälte mit entsprechender Qualifikation auftreten. Erforderlich ist eine Registrierung im Case-Management-System. Weitere Anforderungen bestehen bisher nicht.