Lange umstritten war die Frage, auf welchen Zeitpunkt hinsichtlich des erledigenden Ereignisses im Rahmen der klageweisenden Geltendmachung einer bereits vor Rechtshängigkeit mit der Einrede der Anfechtbarkeit oder der Verjährung behafteten Forderung abzustellen ist, sofern sich der Beklagte hierauf erstmalig nach Zustellung der Klage beruft.
a) Konflikt zwischen materiellrechtlicher Rückwirkung und prozessualen Grundsätzen
Besonders anhand des Beispiels der Aufrechnung als Gestaltungsrecht gem. §§ 387 ff. BGB verdeutlicht sich der Konflikt zwischen materiellrechtlicher Wirkung und dem geltenden Prozessrecht. Nach wie vor wird vertreten, dass die materiellrechtliche Rückwirkung der Aufrechnung i.S.d. § 389 BGB auf den Zeitpunkt, zu dem sich die gegenseitigen Forderungen erstmalig aufrechenbar gegenüberstanden, auch prozessual zur Folge habe, dass kein erledigendes Ereignis vorläge (Althammer/Löhnig, NJW 2004, 3077). Denn aufgrund der Rückwirkungsfiktion des § 389 BGB führe die Aufrechnung dazu, dass die Klage als von Anfang an, mithin schon vor Rechtshängigkeit, unbegründet anzusehen sei (zum Streitstand BGH, Urt. v. 17.7.2003 – IX ZR 268/02, NJW 2003, 3134).
b) Lösung des BGH: Aufrechnungserklärung entscheidend
Dieser Auffassung trat der BGH aber zurecht entgegen: Nach Auffassung des BGH kommt es allein auf die Aufrechnungserklärung als erledigendes Ereignis an (Urt. v. 17.7.2003 – IX ZR 268/02, NJW 2003, 3134). Dabei erkennt der BGH zwar die potenzielle Widersprüchlichkeit dieses Ergebnisses zur materiellrechtlichen Rückwirkung i.S.d. § 389 BGB an, bringt beide Elemente aber argumentativ in Einklang.
aa) Gestaltungserklärung als notwendiger Bestandteil jedes Gestaltungsrechts
Der BGH misst § 389 BGB rein materielle Wirkungen zu, welche für den prozessualen Ablauf ohne Belang seien. Hierbei stützt sich die Rspr. auf den Wortlaut des § 389 BGB, der das Erlöschen der Forderung, welches das erledigende Ereignis darstelle, an die Aufrechnungserklärung („bewirkt”) i.S.d. § 388 S. 1 BGB knüpfe. Denn materiellrechtlich könne sich die Wirkung eines Gestaltungsrechts wesenseigen erst nach dessen Ausübung entfalten. Sinn und Zweck der Rückwirkungsfiktion sieht der BGH darin, dass mit der Ausübung der Aufrechnung ebenfalls Nebenansprüche, vornehmlich wechselseitige Zinsansprüche, in demselben Umfang wie die aufgerechneten Forderungen erlöschen sollen. Zutreffend hebt der BGH hervor, dass allein die bloße Existenz einer Aufrechnungslage i.S.d. § 387 BGB eine Klage nicht unbegründet werden ließe. Dieser Umstand müsse auch prozessual Niederschlag finden, weshalb auf die Aufrechnungserklärung als maßgeblicher Zeitpunkt abzustellen sei.
bb) Keine Korrektur aufgrund von Billigkeitserwägungen
Nicht zuletzt erteilt die Rspr. auch einer Korrektur dieser Grundsätze über Billigkeitserwägungen eine Absage, die sich maßgeblich auf die verengten Reaktionsmöglichkeiten des Beklagten stützen. Zwar ist zuzugeben, dass der Beklagte, der Inhaber einer aufrechenbaren Gegenforderung ist, sich ab der Entstehung der Aufrechnungslage wirtschaftlich nicht mehr als Schuldner zu fühlen braucht (BGH, Urt. v. 17.7.2003 – IX ZR 268/02, NJW 2003, 3134, 3135). Jedoch ist auch hier die vom Gesetzgeber vorgesehene Funktionsweise der Gestaltungsrechte, die allesamt zwingend eine Gestaltungserklärung voraussetzen, zu beachten. Zudem wäre dem Beklagten eine frühere Geltendmachung der Aufrechnung möglich gewesen.
Zudem bleiben dem Beklagten auch prozessual hinreichende Reaktionsmöglichkeiten. Zum einen kann er über eine beiderseitige Erledigungserklärung die Kostenfolge des § 91a Abs. 1 S. 1 ZPO herbeiführen, die sich maßgeblich an den hypothetischen Erfolgsaussichten orientiert und dabei in aller Regel zugunsten des Beklagten wirken würde. Zum anderen sind auch die Interessen des Klägers zu betrachten. Diesem ist es nicht in jedem Falle möglich, die Klageforderung durch Geltendmachung der Aufrechnung zum Erlöschen zu bringen. Es kann für ihn schützenswerte Gründe geben – wie für den Beklagten auch –, von der Aufrechnung abzusehen und stattdessen Klage zu erheben, etwa bei drohender Verjährung der Forderung des Beklagten (vgl. § 390 S. 2 BGB). Würde man dennoch für den maßgeblichen Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses auf das Vorliegen der Aufrechnungslage abheben, so träfe den Kläger regelmäßig, trotz seiner schützenswerten Interessen, in unbilliger Weise die volle Kostenlast nach § 91 ZPO.
c) Entsprechende Behandlung bei der Verjährung
Gleichermaßen verfährt die h.M. (vgl. Knöringer, JuS 2010, 569, 573) im Rahmen der Verjährungseinrede. Auch hier kommt es, um materiellrechtlich die Wirkung des § 214 Abs. 1 BGB herbeizuführen, auf die Geltendmachung der Einrede und nicht auf das Bestehen einer Verjährungslage an. Hierbei gelten obige Argumentationslinien entsprechend.
Im Rahmen der Aufrechnung und der Verjährung stellt die h.M. als maßgeblichen Zeitpunkt für das erledigende Ereignis (= Erlöschen der Forderung bzw. dauerhafte Einrede) auf die jeweilige Geltendmachung des Gestaltungsrechts bzw. das Erheben der Einrede ab.