Zusammenfassung
Die Regelung in einem zwischen geschiedenen Ehegatten geschlossenen gerichtlichen Vergleich, welche die Fälligkeit einer ratenweise zu zahlenden Zugewinnausgleichsforderung mit der tatsächlichen Gewährung von Umgang mit den gemeinsamen Kindern verknüpft, ist jedenfalls dann sittenwidrig, wenn sie dazu bestimmt ist, die vereinbarte Umgangsregelung unter Ausschluss einer gerichtlichen Kontrolle am Maßstab des Kindeswohls erzwingbar zu machen.
(Amtlicher Leitsatz)
BGH, Beschl. v. 31.1.2024 – XII ZB 385/23; Vorinstanzen: OLG München, AG München
I. Einleitung
Der BGH hatte die Wirksamkeit eines gerichtlichen Vergleichs zu prüfen, in welchem die rechtskräftig geschiedenen Eheleute Regelungen zu Verfahrensgegenständen getroffen haben, die von ihnen in selbständigen Verfahren zum Umgangsrecht des Mannes und zum Zugewinnausgleichsanspruch der Frau anhängig gemacht worden waren. Dabei erfolgte eine Verknüpfung der beiderseitigen Ansprüche in der Weise, dass die Fälligkeit der vereinbarten Teilzahlungen auf den Ausgleichsanspruch der Frau aufschiebend bedingt war durch das Stattfinden des für verschiedene Zeiträume vereinbarten Ferienumgangs des Mannes mit den bei der Mutter in Peru lebenden gemeinsamen Kinder in Deutschland. Der Senat hat diese Vereinbarung im Gegensatz zu den Vorinstanzen zu Recht nach § 138 Abs. 1 BGB als unwirksam angesehen, so dass sowohl das Umgangsverfahren als auch das güterrechtliche Verfahren nicht abgeschlossen sind und von den Beteiligten weitergeführt werden können.
II. Keine sittenwidrige Kommerzialisierung des Umgangsrechts
Allerdings hat der Senat sein Verdikt der Sittenwidrigkeit nicht auf eine unzulässige Kommerzialisierung des Umgangsrechts ohne Rücksicht auf das Kindeswohl gestützt, wie er dies bei einer Entscheidung im Jahr 1984 getan hatte, bei der es darum ging, dass der Verzicht auf Umgang mit vermögenswerten Gegenleistungen „belohnt” worden war. Der vorliegende Sachverhalt biete keine Anhaltspunkte dafür, dass ein offensichtlich nicht dem Kindeswohl dienlicher Umgang durch vermögenswerte Gegenleistungen „erkauft” werden sollte. Es erscheint indes fraglich, ob eine unzulässige Kommerzialisierung des Umgangsrechts erst dann bejaht werden kann, wenn der Verstoß der von den Eltern getroffenen Regelung offensichtlich gegen das Kindeswohl verstößt oder ob es nicht bereits ausreichen muss, dass die Verknüpfung der wirtschaftlichen Interessen der Eltern mit der Ausgestaltung des Umgangs zu einer Beeinträchtigung des Kindeswohls führen kann.
Hierzu waren in den Vorinstanzen keinerlei Feststellungen getroffen worden, zumal eine Anhörung der Kinder nicht stattgefunden hatte und somit der Kindeswille als wichtiges Kriterium des Kindeswohls nicht bekannt war. Wegen der fehlenden Kindeswohlprüfung wurde die Billigung der Umgangsregelung der Eltern durch das Familiengericht nach § 156 Abs. 2 FamFG von einem anderen Senat des OLG München aufgehoben, womit ihre gerichtliche Vollstreckung nach §§ 88 ff. FamFG ausgeschlossen wurde. Der Senat brauchte der Frage der Wahrung des Kindeswohls nicht weiter nachzugehen, da der festgestellte Sachverhalt ausreichte, um die Sittenwidrigkeit der Vereinbarung aus anderen Gründen zu bejahen.
III. Unzulässiger Ausschluss der gerichtlichen Kindeswohlkontrolle der Umgangsregelung
Der Senat hat seine Entscheidung auf einen rechtlichen Gesichtspunkt gestützt, der bisher in der Rechtsprechung und Literatur noch keine Rolle bei der Beurteilung der Wirksamkeit der Verknüpfung von finanziellen Ansprüchen mit kindschaftsrechtlichen Regelungen gespielt hat. Er hat die Unwirksamkeit des gesamten gerichtlichen Vergleichs damit begründet, dass die Ratenzahlungsregelung für die restliche Zugewinnausgleichszahlung Ähnlichkeiten mit einer Vertragsstrafenvereinbarung aufweise, die darauf gerichtet sei, die Regelung des Besuchs der Kinder beim Vater unter Ausschluss einer gerichtlichen Kontrolle erzwingbar zu machen.
Ein solcher Ausschluss einer gerichtlichen Kontrolle ist nicht hinnehmbar, da er dazu führt, dass eine objektive Prüfung der Kindesbelange nicht stattfindet und mögliche Beeinträchtigungen des Kindeswohls nicht festgestellt werden können.
IV. Fazit
Der BGH hat mit seiner Entscheidung die Grenzen für die Verknüpfung von Elternvereinbarungen in Kindschaftssachen mit finanziellen Ansprüchen aus dem Verhältnis der Eltern untereinander aufgezeigt. Er hat dabei aber auch deutlich gemacht, dass eine solche Verknüpfung – gerade in Fällen mit Auslandsberührung, in denen die gerichtliche Vollstreckung und Durchsetzung der Regelungen oft wenig effektiv ist – nicht von vornherein ausgeschlossen ist. Die weiteren Anforderungen für die Ausgestaltung solcher Vereinbarungen hat der Senat jedoch mangels Entscheidungserheblichkeit offengelassen.
Es dürfte allerdings nicht einfach sein, effektive Regelungen zu finden, die weder die gerichtliche Überprüfung ihrer Vereinbarkeit mit dem Kindeswohl ausschließen noch eine unzulässige Kommerzialisierung des Umgangsrechts darstellen und somit der Wirksamkeitskontrolle nach § 138 Abs. 1 BGB standhalten können.
ZAP F., S. 761–762
Von Fritz Finke, Vors. RiOLG i.R., Gütersloh