Das BAG hat die Diskussion, ob die Durchführung eines BEM für den Ausspruch einer krankheitsbedingten Kündigung eine Wirksamkeitsvoraussetzung darstellt, dahingehend entschieden, dass dies nicht der Fall ist (so u.a. BAG, Urt. v. 7.12.2006 – 2 AZR 182/06, BAGE 120, 293; v. 12.7.2007 – 2 AZR 716/06, BAGE 123, 234; (Linck, in: Schaub, a.a.O., § 131 Rn 9; Fritzsche/Fähnle BB 2013, 3001, 3003; Schmitt, a.a.O., Rn 103 ff. m.w.N.).
Auch für den Fall der Versetzung hat das BAG jüngst entschieden, dass die Durchführung eines BEM-Verfahrens keine formelle oder unmittelbar materielle Voraussetzung für die Wirksamkeit der Versetzung oder einer anderen Ausübung des Weisungsrechts des Arbeitgebers darstellt (BAG, Urt. v. 18.10.2017 – 10 AZR 47/17).
Es ist nicht ausreichend, wenn der Arbeitgeber im Kündigungsschutzprozess pauschal vorträgt, dass er keine anderen Einsatzmöglichkeiten kenne oder auch keine freien Arbeitsplätze, auf die der Arbeitnehmer mit seinen gesundheitlichen Einschränkungen eingesetzt werden könne, gebe. Er muss ganz konkret vortragen, dass eine Beschäftigung auf dem bisherigen Arbeitsplatz nicht mehr möglich ist und warum eine leidensgerechte Anpassung bzw. Veränderung des bisherigen Arbeitsplatzes ausgeschlossen ist bzw. warum der Arbeitnehmer auf einem alternativen Arbeitsplatz zu geänderten Bedingungen nicht eingesetzt werden kann (st. Rspr. u.a. BAG, Urt. v. 10.12.2009 – 2 AZR 400/08, NZA 2010, 398; v. 23.4.2008 – 2 AZR 1012/06, DB 2008, 2091; ausführlich zur Darlegungs- und Beweislast Rupp NZA 2017, 361°ff.; Beck NZA 2017, 81, 85/86).
Der Arbeitnehmer hat substantiiert darzulegen, wie er sich selbst eine leidensgerechte Beschäftigung vorstellt (BAG, Urt. v. 10.12.2009 – 2 AZR 198/09, NZA 2010, 639; v. 24.3.2011 – 2 AZR 170/10, NZA 2011, 993).
Hinweis:
Die einzige Möglichkeit, die dem Arbeitgeber bleibt, um ohne Durchführung eines BEM erfolgreich krankheitsbedingt zu kündigen, ist, dass er darlegen und beweisen kann, dass ein Erfolg der Maßnahmen von vornherein ausgeschlossen war, das BEM also von Anfang an nutzlos gewesen wäre und dem Arbeitgeber unzumutbare Aufwendungen für eine dauerhafte Integration und Gesundheitsprävention entstehen (BAG, Urt. v. 23.4.2008 – 2 AZR 1012/06, DB 2008, 2091).
Beispiel:
Ein BEM wäre von Anfang nutzlos, wenn vollkommen ungewiss ist, ob jemals die Arbeitsfähigkeit wieder hergestellt werden kann, oder wenn der Arbeitnehmer im Falle einer Suchterkrankung keine Therapiewilligkeit zeigt (s. Schmitt, a.a.O., Rn 109 m.w.N.; Rupp NZA 2017, 361).
Unterlässt der Arbeitgeber die Durchführung des BEM, weil der Arbeitnehmer nicht eingewilligt hat, ist entscheidend, ob der Arbeitgeber den Betroffenen vorher darauf hingewiesen hat. Der Arbeitgeber sollte dies auch klar im Einladungsschreiben dokumentieren (s. oben VIII. 3.). Nur bei nicht erteilter Einwilligung des Arbeitnehmers trotz ordnungsgemäßer Belehrung ist das Unterlassen eines BEM „kündigungsneutral“.
Hinweis:
Auf der Arbeitnehmerseite im Kündigungsschutzprozess sollte ggf. bei einer krankheitsbedingten Kündigung konkret der Einwand erhoben werden, dass ein BEM entweder nicht ordnungsgemäß (z.B. fehlerhafte Belehrung im Einladungsschreiben) angeboten oder nicht korrekt durchgeführt worden ist.