Die Vollstreckung von Steuern und Haftungsbescheiden ist in den § 249 ff. AO geregelt. In ca. 100 Paragrafen wird dieses Vollstreckungsverfahren wesentlich ausführlicher geregelt als im Verwaltungsvollstreckungsgesetz; nachfolgend werden lediglich die Grundzüge dieses Vollstreckungsverfahrens erläutert. Finanzämter vollstrecken mit eigenen Vollstreckungsbeamten (Grundsatz der Selbstexekution). Die Finanzbehörden können Verwaltungsakte, mit denen eine Geldleistung, eine sonstige Handlung, eine Duldung oder Unterlassung gefordert wird, im Verwaltungsweg vollstrecken. Dies gilt auch für Steueranmeldungen i.S.d. § 168 AO. Die Abgabenordnung unterscheidet zwischen der Vollstreckung wegen Geldforderungen des Finanzamts (§§ 249 ff. und §§ 259 ff. AO) und der Vollstreckung zur Erzwingung anderer Handlungen als Geldzahlungen (§§ 328 ff. AO). Bei der zwangsweisen Steuereintreibung greift das Finanzamt generell zuerst zur Kontenpfändung. Das ist für die Vollstrecker gleichsam effektiv wie effizient.
Beispiel:
Die Parkkralle ist Teil der Kraftfahrzeugpfändung und dient der Sicherung der gepfändeten Sache. Rechtsgrundlage für die Pfändung von Sachen durch die Vollziehungsbeamten der Finanzämter ist § 286 AO. Die Parkkralle kann seitens der Finanzämter eingesetzt werden bei rückständigen Beträgen aus Gemeinschaftssteuern (z.B. Einkommen-, Körperschaft- und Umsatzsteuer) sowie aus Landessteuern (z.B. Kraftfahrzeug-, Grund-, Grunderwerb- und Gewerbesteuer) wie auch bei kommunalen Steuern (z.B. Hunde-, Spielgeräte- und Zweitwohnungssteuer) zuzüglich entstandener bzw. festgesetzter steuerlicher Nebenleistungen (Verspätungszuschläge, Zuschläge gem. § 162 Abs. 4 AO, Zinsen, Säumniszuschläge, Zwangsgelder und Kosten). Bei der Hamburger Finanzverwaltung sind beispielsweise derzeit 50 Parkkrallen im Einsatz ( http://www.juramagazin.de/129783.html ).
Steuernachforderungen und Steuererstattungen werden gem. § 238 AO derzeit mit einem Satz von 0,5 % pro Monat, also 6 % im Jahr verzinst. Dieser hohe Satz wurde seit 1961 nicht mehr angepasst. Auch bei einer Aussetzung der Vollziehung werden gem. § 237 AO diese Zinsen geschuldet. Das Bundesfinanzministerium hat am 14.6.2018 die Finanzbehörden angewiesen, künftig bis auf Weiteres keine Strafzinsen mehr für säumige Steuerzahler einzufordern. Voraussetzung ist, dass der Verzinsungszeitraum nach dem 1.4.2015 beginnt und dagegen Einspruch eingelegt wurde. Unerheblich sind Steuerart und Besteuerungszeitraum. Grundsätzlich ausgesetzt werden soll die Vollziehung angefochtener Verwaltungsakte, sofern ernstliche Zweifel an deren Rechtmäßigkeit bestehen oder ein Härtefall vorliegt. Hintergrund der plötzlichen Sanftheit ist ein Urteil des Bundesfinanzhof von Ende April 2018 (BFH, Beschl. v. 25.4.2018 – IX B 21/18). Dieser hielt die Nachzahlungszinsen auf Steuern von 6 % im Jahr für verfassungswidrig hoch und setzte die Vollziehung im Streitfall aus. Der BFH begründet die Aussetzung mit „der realitätsfernen Bemessung des Zinssatzes“. Die Anordnung, die Vollziehung generell auszusetzen, sei nicht dahingehend zu verstehen, dass die Finanzbehörden die Verfassungsmäßigkeit der Verzugszinsen bezweifelten. Vielmehr sei ungewiss, wie das Bundesverfassungsgericht die Höhe der Zinsen einstufen werde. Diesem liegen zwei Verfassungsbeschwerden vor, die sich auf die Jahre bis 2012 und 2014 beziehen. Für Verzinsungszeiträume vor April 2015 sei die Aussetzung daher nur zu gewähren, wenn dies eine unbillige Härte zur Folge hätte und „im Einzelfall ein besonderes berechtigtes Interesse des Antragstellers zu bejahen“ sei (s. PM v. 15.6.2018, s. unter http://www.faz.net/aktuell/finanzen/meine-finanzen/steuern-sparen/finanzamt-gewaehrt-bei-verzugszinsen-aufschub-15640154.html ).
Hinsichtlich der Rechtsschutzmöglichkeiten wird wie bei der Vollstreckung nach dem VwVG zwischen dem Rechtsschutz gegen die Grundverfügung (= Primärmaßnahme) und dem Rechtsschutz gegen die Vollstreckung selbst (= Sekundärmaßnahme) unterschieden. Primärmaßnahmen können mit Einspruch (§§ 347 ff. AO) und Anfechtungsklage (§ 40 FGO) angegriffen werden. Bei Sekundärmaßnahmen ist die Rechtsschutzart abhängig von der Handlungsform. Ist die Vollstreckungsmaßnahme ein Verwaltungsakt (z.B. eine Pfändung), kann auch insoweit Einspruch eingelegt bzw. Anfechtungsklage erhoben werden. Erfolgt eine Vollstreckungsmaßnahme (in das unbewegliche Vermögen) durch ein ordentliches Gericht, sind über § 328 Abs. 1 S. 2 AO die für die gerichtliche Zwangsvollstreckung geltenden Vorschriften, namentlich die §§ 864–871 ZPO und das Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung, anzuwenden.
Ein Anspruch auf Stundung kann sich aus § 222 S. 1 AO ergeben. Danach können Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis gestundet werden, wenn die Einziehung bei Fälligkeit eine erhebliche Härte für den Schuldner bedeuten würde und der Anspruch durch die Stundung nicht gefährdet erscheint. Eine erhebliche Härte ist gegeben, wenn der Abgabeschuldner nach einer Abwägung zwischen...