I. Grundlagen
Wird eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung nicht freiwillig erfüllt, kann die Verwaltungsvollstreckung betrieben werden. Soll zugunsten der öffentlichen Hand vollstreckt werden, so richtet sich die Vollstreckung nach dem Verwaltungsvollstreckungsgesetz des Bundes (vgl. Pietzner, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 169 Rn 19; OVG NRW, Beschl. v. 2.6.2000 – 10 E 163/00, NVBl, 2001, 65 f.). Der Vorsitzende des Gerichts des ersten Rechtszugs ist nach § 169 Abs. 1 VwGO Vollstreckungs- und Vollzugsbehörde i.S.d. §§ 4, 7 VwVG (vgl. Pietzner, a.a.O., § 169 Rn 25; Heckmann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 169 Rn 21).
Beispiele für vollstreckbare Verpflichtungen:
- Schulden einer Verwaltungsgebühr,
- Vorlage eines Fahrtenbuchs,
- Maulkorb- und Leinenzwang,
- Beseitigung einer baurechtlichen Gefahrenquelle,
- Ausreise eines Ausländers aus dem Bundesgebiet,
- Beisetzung eines Angehörigen,
- Sperrverfügung von Internetangeboten,
- Exmatrikulation von einer Hochschule,
- Haltungs- und Führungsuntersagung von sog. Kampfhunden,
- Beachtung eines Hausverbots,
- Rundfunkbeitragszahlung.
Hinweis:
Der Rundfunkbeitrag ist keine Steuer, sondern eine rundfunkspezifische nichtsteuerliche Abgabe, die in die Gesetzgebungszuständigkeit der Länder für das Rundfunkrecht fällt.
Rechtsgrundlagen des Vollstreckungsverfahrens sind neben dem Verwaltungsvollstreckungsgesetz des Bundes (VwVG) die überwiegend gleichlautenden Verwaltungsvollstreckungsgesetze der Länder. Im VwVG ist die Vollstreckung wegen Geldforderungen, §§ 1–5b VwVG (s. dazu II.), und die Vollstreckung wegen der Erzwingung von Handlungen, Duldungen oder Unterlassungen, §§ 6–18 VwVG (s. dazu III.), geregelt, § 19 VwVG betrifft die Vollstreckungskosten. Gebühren und Auslagen für die Vollstreckung werden gem. § 337 Abs. 1 VwVG, §§ 338–346 AO erhoben (§ 19 Abs. 1 S. 1 VwVG). Die beiden Vollstreckungsarten weisen vielfältige Unterschiede auf und werden deshalb getrennt behandelt.
Vollstreckungsvoraussetzung ist grundsätzlich ein unanfechtbarer oder ein für sofort vollziehbar erklärter Verwaltungsakt. Die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage entfällt gem. § 80 Abs. 2 VwGO nur bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, in anderen durch Bundesgesetz – oder für Landesrecht durch Landesgesetz – vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen und in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Verwaltung verschafft sich gegen den Bürger den vollstreckbaren Titel selbst ohne Einschaltung der Gerichte. Behörden untereinander – beispielsweise erst- und zweitangegangener Sozialleistungsträger – können Ansprüche allerdings nicht im Wege der Verwaltungsvollstreckung durchsetzen. Für die Vollstreckung im Sozialrecht gilt im Übrigen gem. § 66 Abs. 1 S. 1 SGB X das Verwaltungsvollstreckungsgesetz. In Angelegenheiten des § 51 SGG ist für die Anordnung der Ersatzzwangshaft das Sozialgericht zuständig.
II. Vollstreckung wegen Geldforderungen
1. Vollstreckungsverfahren
Die Vollstreckung von Geldforderungen richtet sich nach den §§ 1–5 VwVG. Bei dieser Vollstreckungsart muss es sich um öffentlich-rechtliche Geldforderungen handeln. Öffentlich-rechtlich sind Forderungen, wenn sie einer juristischen Person des öffentlichen Rechts zufließen und von einer (derselben oder anderen) juristischen Person des öffentlichen Rechts hoheitlich auferlegt sind. Des Weiteren sind öffentlich-rechtliche Geldforderungen solche, die sich aus einem öffentlich-rechtlichen Vertrag ergeben (Engelhardt/App/Schlatmann, VwVG-VwZG, 11. Aufl. 2017, § 1 Rn 1).
Praxishinweis:
Nach § 61 Abs. 2 VwVfG kann aus öffentlich-rechtlichen Verträgen nach dem VwVG nur vollstreckt werden, wenn sich der Schuldner nach § 61 Abs. 1 VwVfG der sofortigen Vollstreckung unterworfen hat. Die Vollstreckungsunterwerfung ist nur zulässig, wenn die Behörde statt des Abschlusses eines öffentlich-rechtlichen Vertrags auch durch Verwaltungsakt hätte handeln dürfen (§ 61 Abs. 1 S. 1 VwVG i.V.m. § 54 S. 2 VwVfG).
Vollstreckungsschuldner ist, wer eine Leistung entweder als Selbstschuldner schuldet oder persönlich für die Schuld eines anderen haftet (Haftungsschuldner, § 2 Abs. 1 VwVG). Wer zur Duldung der Zwangsvollstreckung verpflichtet ist, wird dem Vollstreckungsschuldner gleichgestellt, soweit die Duldungspflicht reicht (Duldungsschu...