Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. einstweiliger Rechtsschutz. Vollstreckung nach dem VwVG. Hauptzollamt als zuständige Vollstreckungsbehörde für Geldforderungen. Vollstreckungsanordnung der Krankenkasse. verwaltungsinterne Maßnahme. Unzulässigkeit des Rechtsbehelfs. Prüfung der Voraussetzungen für Stundung, Niederschlagung oder Forderungserlass
Leitsatz (amtlich)
Wählt die Krankenkasse die Vollstreckung nach dem Verwaltungsvollstreckungsgesetz (VwVG), ist die zuständige Vollstreckungsbehörde für Geldforderungen das Hauptzollamt. Die Vollstreckungsanordnung der Krankenkasse ist eine rein verwaltungsinterne Maßnahme. Rechtsbehelfe gegen die Vollstreckungsanordnung sind unzulässig.
Orientierungssatz
Die Krankenkasse hat vor Ergehen einer Vollstreckungsanordnung zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Stundung, Niederschlagung oder einen Erlass der Forderung vorliegen.
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 16.10.2019 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt im Rahmen des Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes die vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung, die von der Antragsgegnerin wegen rückständiger Beitragsforderungen für den Zeitraum vom 01.08.2012 bis zum 31.01.2013 betrieben wird.
Der 1972 geborene Antragsteller war ab dem 15.11.2011 als Selbständiger freiwillig bei der Antragsgegnerin versichert. Die freiwillige Versicherung endete zum 01.02.2013 wegen des Bezugs von Arbeitslosengeld II und der hieraus resultierenden Versicherungspflicht. Die Mitgliedschaft bei der Antragsgegnerin endete wegen eines Wechsels der Krankenkasse zum 31.12.2013. Mit Bescheid vom 24.05.2016 setzte die Antragsgegnerin Beiträge für die Zeit vom 15.11.2011 bis zum 31.01.2013 neu fest und half einem Widerspruch des Antragstellers dadurch teilweise ab. Die Antragsgegnerin forderte in diesem Bescheid den Antragsteller auch auf, rückständige Beiträge in Höhe von 1.990,34 € zu zahlen. Im Übrigen wies die Antragsgegnerin den Widerspruch des Antragstellers mit Widerspruchsbescheid vom 15.07.2016 zurück. Hiergegen erhob der Antragsteller Klage zum Sozialgericht Reutlingen (Az.: S 11 KR 2055/16). Nachdem das Gericht einen Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt hatte, nahm der Antragsteller die Klage zurück.
Im Oktober 2018 beantragte der Antragsteller bei dem Sozialgericht Freiburg (SG) den Erlass einer einstweiligen Anordnung (Az.: S 16 KR 4410/18 ER). Mit Beschluss vom 26.10.2018 lehnte das SG den Antrag ab. Die gegen den Beschluss des Sozialgerichts eingelegte Beschwerde nahm der Antragsteller zurück (Az.: L 4 KR 4224/18 ER-B).
Nachdem die Antragsgegnerin das Hauptzollamt mit der Vollstreckung der Beitragsforderung, Mahngebühren und Säumniszuschläge in Höhe von insgesamt 3.059,84 € beauftragt hatte, hat der Antragsteller am 18.09.2019 beim SG erneut einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt. Zur Begründung führt er aus, dass er der „angeblichen Forderung aus 2012" widersprochen habe. Aus den vorliegenden Steuerbescheiden gehe hervor, wie hoch seine Einnahmen gewesen seien. Zum Überleben sei er zwingend auf Leistungen des Jobcenters angewiesen gewesen. Der Gründungszuschuss vom Jobcenter sei für die soziale Absicherung vorgesehen. Die Beitragsberechnungen seien viel zu hoch und über das Arbeitslosengeld II geregelt gewesen. Außerdem berufe er sich auf „§ 76 SGB". Danach sei es unbillig, einem die Existenz zu rauben. Zudem macht er Verjährung geltend.
Die Antragsgegnerin ist dem Antrag entgegengetreten. Sie hat ausgeführt, dass weder ein Anordnungsanspruch noch einen Anordnungsgrund bestünden. Die erlassenen Beitragsbescheide seien rechtmäßig und bestandskräftig, so dass die rückständigen Beiträge, Mahngebühren und Säumniszuschläge beizutreiben seien. Das Interesse der Allgemeinheit an der ordnungsgemäßen und vollständigen Erhebung der Beiträge überwiege das Interesse des Antragstellers an der Aussetzung der Vollstreckung.
Mit Beschluss vom 16.10.2019 hat das SG den Antrag abgelehnt. Der Antrag nach § 86b Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sei zulässig, aber unbegründet. Soweit der Antragsteller sich gegen die Rechtmäßigkeit des Beitragsbescheides richtet, sei bereits fraglich, ob dieser Einwand vorliegend überhaupt berücksichtigt werden könne. Denn trotz der Ausführungen des SG in dem Verfahren S 16 KR 4410/18 ER sei bisher kein Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X eingeleitet worden. Unabhängig davon habe der Antragsteller aber jedenfalls keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Die Bestandskraft eines Bescheides schließe, wie § 44 SGB X verdeutliche, nicht generell aus, dass dieser auf Rechtsfehler hin untersucht und dann ggf zurückgenommen werden könne. Für den einstweiligen Rechtsschutz im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 SGB X habe das jedoch zur Folge, dass im Anordnungsan...